Kultur: Geck & Genie
Fritz J. Raddatz liest aus seiner Rilke-Biografie
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Er sei wie ein Jongleur, der mit vielen Bällen spiele, sagte der ehemalige Programmchef des Rowohlt Verlags, spätere Feuilleton Chef der Zeit und heute vielseitige Autor Fritz J. Raddatz in einem Interview über sich selbst. Einer dieser fliegenden Bälle ist Fritz J. Raddatz vielgelobtes Buch über den 1875 geborenen Rainer Maria Rilke „Überzähliges Dasein. Eine Biographie“ (Arche Verlag, Zürich/Hamburg, 22 Euro), aus dem Raddatz am morgigen Sonntagvormittag in der Villa Quandt lesen wird.
Einen biografischen Essay nennt Raddatz sein Rilkebuch. In acht Entpuppungstadien unterteilt er die Lebensphasen von Rainer Maria Rilke. Vom jungen schwätzerischen Verseverschwender bis zum „müde gewordenen Falter“, der in einer letzen schöpferischen Eruption die Duineser Elegien kurz vor seinem Tod 1926 in einem von der Welt abgschiedenen Turm, seinem „Chateau“, vollendete.
Raddatz umschwebt den Porträtierten wie ein Geist, als ob er ihm beim Schreiben über die Schulter gschaut hätte. Er verknüpft Orte, Namen, Kunstwerke und Romane, kommentiert Bekanntschaften mit berühmten Damen wie der Gräfin von Turn und Taxis oder Lou Andreas-Salomé, die Rilke seiner Zeit beeinflusst haben. Als wäre er dabei gewesen, weiß Raddatz zu berichten wer damals mit wem, wie es zwischen Rilke und dem Pariser Bildhauer Rodin zum Bruch kam und warum Rilke immer verheiratete Frauen als Geliebte fand. Mit einfühlsamen Verständnis und Leidenschaft extrahiert der Autor „seinen“ Rilke, das Genie, aus dessen Werken und Korrespondenz.
Trotz ständiger Geldsorgen, schien Rilke überall zu sein, lebte in den besten Hotels und verfasste an seine Gönner penible Wunschlisten, mit genauen Angaben bis hin von Seifenmarken und Knopffarben. Nur eine Krankheit verfolgt den Dichter, der kaum Alkohol trank, vegetarisch aß und keine Drogen nahm, laut Raddatz sein Leben lang. „Die Diagnose hat zwei Silben. Seine Krankeit hieß Rilke“.
Seinen Biografen-Kollegen Stefan Zweig nennt Raddatz Rilkes Seelenschnecke, der „trefflich von der leisen, geheimnisvollen Unsichtbarkeit, die Rilkes Lebensform ausmachte“ schrieb. Gerade diese Unsichtbarkeit hat auch Radddatz in ihren Bann gezogen. Rilkes Spiel mit seinen Marotten, der Adelstick, seine Maniriertheit, seine Weiblichkeit, die die Person Rilke für seine Zeitgenossen und Biografen so schwer fassbar macht.
Zuweilen drängt sich der Verdacht auf, Raddatz fände auch ein wenig von sich selbst in dem genialen Dichter wieder. Seine Verehrung und sein großes Verständnis sind offensichtlich. Hat er gerade die Kerne aus Rilkes Leben herausgeschält, die ihm besonders schmecken? In Rilkes Liebesphilosophie der Entfernung, nach der ihm keine Frau zu nahe kommen durfte, findet Raddatz Gemeinsamkeiten mit Gottfried Benn, den Rilke nie getroffen hat. Das mag für Raddatz nahe liegen, hat er doch auch über Benn ein biografisches Porträt verfasst.
„Geck, Gauckler und Genie“ nennt Raddatz diesen Rainer Maria Rilke, den er seinen Zuhörern in der Villa Quandt präsentieren wird. Undine Zimmer
Fritz J. Raddatz spricht über „Rilke. Überzähliges Dasein“ am morgigen Sonntag, 11 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstr. 46/47, Eintritt kostet 10, ermäßigt 8 Euro
, ine Zimmer
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