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Das "Flugschiff" an der Schiffbauergasse: Gedanken auf die Reise schicken

Das "Flugschiff" von Peter Rohn und Christian Roehl hat eine weite Reise hinter sich. Jetzt ist es wieder für alle Potsdamer sichtbar.

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Potsdam - Reisen in den Weltraum waren fast noch Utopien, selbst Ausflüge ins nicht-sozialistische Ausland für lange Zeit ein Traum. Als der Potsdamer Künstler Peter Rohn 1974 das Flugschiff für das Haus des Reisens entwarf und zusammen mit Christian Roehl baute, war die erste bemannte Mondlandung gerade einmal fünf Jahre her, der Fall der Mauer lag in weiter Ferne.

Trotzdem nimmt seine Skulptur – neun Meter breit, fast fünf Meter hoch –, dieser archaische, blecherne Fisch, bei aller Materialschwere jeden dieser Träume mit sich hinauf in den Himmel. Vorne, anstelle der Kiemen, schwingt eine silberne Sichel, ein zarter Kontrast zum inzwischen dunkelgrün oxidierten Kupfer-Körper des Flugschiffs. Davor, wie Plankton oder kleinere Planeten, ein Schwarm glänzender Kugeln – das Flugschiff ist auf der Jagd. Bewegung, das Grundmuster allen menschlichen Handelns, haben Rohn und Roehl damals in eine quasi-kubistische, ganz einfache Form gebracht.

Arbeit 1969 aus ideologischen Gründen zurückgezogen

Nach sechs Jahren hängt das Werk seit dem gestrigen Dienstag wieder im öffentlichen Raum: mit Blick auf Hans Otto Theater und Havel am Parkhaus an der Schiffbauergasse. Was heute wie hellsichtige Kunst wirkt, war eigentlich eine Auftragsarbeit, das Reisebüro wollte ein werbendes Schmuckwerk für die Außenwand an der Friedrich-Ebert-, Ecke Yorckstraße. Die Idee für ein Flugobjekt kam von Rohn, eine Eisenbahn als Symbol für Bewegung wollte er nicht an der Wand sehen. Das war natürlich ein bisschen heikel, schließlich flohen auch Menschen in abenteuerlichen Fluggeräten aus der DDR. Tatsächlich wurde seine Arbeit 1969 auch verboten. Oder besser: mutmaßlich wegen ideologischer Bedenken wieder zurückgezogen. In der Zeitung, sagt Rohn, stand plötzlich, das sei schlechtes Kunsthandwerk. „Damit sind Sie als Künstler geplatzt.“ Eigentlich, vermutet er, hing die Absage mit der politischen Lage zusammen: „1968 wurde der Prager Frühling niedergeschlagen.“ Dabei hatte er eine Form finden wollen, die „die Menschen in ihrer Phantasie beflügelt – aber nicht im politischen Sinne“, sagt Rohn heute. Immerhin: 1974 durfte das Flugschiff dann am ehemaligen Haus des Reisens am Platz der Einheit angebracht werden.

Als die Stadtverordneten vor sechs Jahren beschlossen, das Haus des Reisens abzureißen, drohte dem Flugschiff noch einmal der Absturz. Letztlich ließ die SPD damals einen Passus einfließen, wonach ein Ersatzstandort in Potsdam gefunden werden sollte. Der schien 2012 mit der häßlichen kahlen Wand der Stadt- und Landesbibliothek gefunden. Dass das Flugschiff – nach einer umfassenden Sanierung in der Hofschmiede Dahlem – jetzt doch an der Schiffbauergasse hängt, ist dem Beirat für Kunst im öffentlichen Raum zu verdanken. Das Gremium, in dem Architekten, Kunstexperten, Denkmalpfleger und Mitglieder der AG Gegenwartskunst sitzen, hat schon 2009 eine Prioritätenliste mit erhaltenswerten Kunstwerken erarbeitet – das Flugschiff war eines davon.

Am Altern ist nichts Schlimmes

Hier, an der zwar nicht minder kahlen Parkhaus-Wand, hängt das grünschillernde Gedankenschiff genau richtig, das findet auch Alice Bahra, Witwe von Christian Roehl. „Hier sehen wir die ganze Räumlichkeit, die Plastizität.“ Das liegt an der freien Fläche vor der Wand, hier führt weder eine Straße vorbei, noch blockieren andere Hauswände die Sicht. Wer ins Theater oder in die „fabrik“ will oder im Sommer ins Open-Air-Kino des Waschhauses, kommt jetzt unweigerlich am Flugschiff vorbei und kann mit ihm – vor oder nach der Kunst – ein paar Ideen auf die Reise schicken.

Zum Beispiel daran, dass Altern gar nichts Schlimmes ist: Die Zeit, sagt Alice Bahra, „hat wunderbar daran gearbeitet, das Kupfer ist wunderschön grün geworden.“ Für ihren Mann war es der erste große Auftrag, die Entwürfe Rohns umzusetzen, daran konnte er sich mit 28 Jahren über sein Handwerk hinaus als Künstler bewähren. Gepasst hat es zwischen den beiden sofort, „das war eine Symbiose“, sagt Alice Bahra.

Bei aller inneren Freiheit ist der 1934 geborene Rohn übrigens nicht gegen Vorgaben – auch bis hinein in die künstlerische Freiheit. Heute, sagt er, fühlten sich viele Künstler, die für den öffentlichen Raum arbeiten, nicht mehr an ihren Auftrag gebunden. Was auch daran liege, dass die Auftraggeber – also in vielen Fällen die Politiker – keine eigene Haltung, keine eigenen Vorstellungen mehr entwickelten. „Die halten sich raus, mit ihrer Meinung – dadurch ist vieles dem Zufall ausgeliefert“, so Rohn. „Der alte Fritz aber kam auch nicht über eine Ausschreibung bis nach Australien zu seinem Sommerschloss.“ Künstler sein, das bedeutet für ihn auch: ackern, bis es passt. Ideologisch verbrämt, findet er, sei die Kunst oft in anderer Hinsicht. „Angeblich ist die abstrakte Kunst eine reine Selbstschöpfung des Menschen.“ Tatsächlich aber sei alles schon in der Natur enthalten. Vielleicht trifft das auch für die Utopien zu, die erst noch gedacht werden müssen.

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