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Kunstfertig, furios – aber am Ende doch etwas gefühllos. Der syrische Countertenor Razek-Francois Bitar legte mehr Wert auf Schöngesang denn auf Emotion.

© A. Sommer/ I Confidenti

Kultur: Gefühlloses Singen

„Zickenkrieg und Engelsstimmen“ in einer Inszenierung von I Confidenti in der Schinkelhalle

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Noch bevor sie den Mund aufmachten, war die Oper aus dem Häuschen. Augenblicklich blieben die Austern stehen, der Champagner wurde schal, alle Konversation erstarb. Immer lauter tönten begeisterte Rufe aus dem Parkett, und aus den Logen drangen Seufzer der Begierde: Was für eine Frau, was für ein Mann. So was hatte die Welt noch nicht gehört: Läufe von atemraubender Rasanz, Triller wie gestochen, Tonleitern aus dem Effeff, Pirouetten durch alle Gipfellagen des Notensystems. Die Potsdamer Theatergruppe I Confidenti bereiste in ihrem neuen Programm europäische Städte, in denen die Oper des 18. Jahrhunderts und ihre Protagonisten gefeiert wurden. Das Berliner Opernleben wurde jedoch gemieden.

„Il teatro alla moda – Zickenkrieg und Engelsstimmen“ nennen die Theatermacher das „Schauspiel“ mit Arien und Ensembles in italienischer Sprache. Die Aufführungsserie, die unter dem Label Barocker Theatersommer seit Jahren veranstaltet wird, findet diesmal wegen der Sanierungsarbeiten des Schlosstheaters im Neuen Palais in der eher nüchternen, doch akustisch annehmbaren Schinkelhalle am Kulturstandort Schiffbauergasse statt. Aber fast hätte man auf sie verzichten müssen, denn erst in letzter Minute hat die Stadt Potsdam die Förderung des I confidenti-Theatersommers beschlossen. Für dieses Jahr konnten Studierende der Universität der Künste Berlin (Udk) sowie das Ensemble Stella Maris unter der Leitung von Christine Trinks für die Mitwirkung gewonnen werden.

I-Confidenti-Leiterin Christine Jaschinsky entschied sich auch 2014 trotz eines inhaltlich roten Fadens wieder für ein „buntes“ Programm mit barocker Musik. Es scheint, dass sie sich von einer geschlossenen Oper verabschiedet hat. Schade, denn kleine Musiktheaterstücke für zwei bis drei Sängerinnen und Sänger aus dem 18. Jahrhundert, die als Intermezzi zwischen großen Opernaufführungen komponiert wurden, gibt es in Hülle und Fülle. Das Fündigwerden dürfte nicht schwer sein, zumal Barock-Opern-Spezialistin Waldtraut Lewin bei I Confidenti wieder mit im Boot sitzt.

Sie begeben sich mit Hilfe eines Zeitreisenden (Matthias Günther) in die Barockzeit, in Städte, in denen die Oper samt Kastraten und Diven ihre große Zeit hatte, nach Lissabon, Venedig, Neapel, Dresden und London. Dort gaben ihnen berühmte Komponisten wie Händel, Vivaldi, Porpora oder Hasse kunstvolle und mit allerlei Schwierigkeiten gespickte musikalische Vorlagen. Dieser Zeitreisende erzählt und reflektiert in köstlich-flott gereimten Versen, geschrieben von Waldtraut Lewin, über seine Begegnungen und Erlebnisse mit den Stars. Das bringt Matthias Günther leicht und locker auf die Bühne, augenzwinkernd und charmant. Aber eine Geschichte wird kaum erzählt. Der Zuschauer wird eher mit Häppchen bedacht, zwar mit Wohlschmeckenden, doch überreichlich. Mit David Matthäus Zurbuchen versicherte sich I Confidenti einem Regisseur, der die jungen Sängerinnen Katharina Woesner, Sara Magenta Schneyer und Katrin Geisler in ihren ansehenswerten Barockkostümen (Christine Jaschinsky) und vor dem barocken Architekturprospekt mit ironisch gemeinten Gesten agieren ließ. Arien und Duette aus den Opern „Agrippina“, „Giulio Cesare“ oder „Poro“ von Händel, „Carlo Calva“ von Porpora oder „Cleofide“ von Hasse standen auf dem Programm.

Von den Sängerinnen und Sängern wurde damals keine tiefenpsychologische Darstellung verlangt, sondern lediglich die Zurschaustellung ihrer stimmlichen Virtuosität. Zurbuchen nahm manch bekannte Klischees der Selbstinszenierung von Stars komödiantisch aufs Korn. Der erhoffte Zickenkrieg, der dem Zuschauer ja mit am meisten Spaß macht, fand jedenfalls statt.

Manches wirkte am Donnerstag noch gehemmt, denn der Opernabend gehörte zur Prüfung der Studierenden. Zwar war gesanglich, von Katrin Geisler einmal abgesehen, noch nicht alles souverän, doch wussten die jungen Sängerinnen mit ihren schön timbrierten Stimmen und kultiviertem Vortrag für sich einzunehmen. Als „Star“ fungierte der syrische Countertenor Razek-Francois Bitar. Mit teilweise furios gesungenen Arien legte er mehr Wert auf Schöngesang als auf Emotionen. So staunte man über seine Kunstfertigkeit, doch letztendlich blieb das gefühllose Singen doch langweilig. Aber das war wohl ganz im Sinne der Regie. Zur Barockzeit beschäftigte man sich zwischendurch noch mit anderen angenehmen Dingen als dem Zuhören von Opern, wenn der Künstler auf der Bühne nicht das erhoffte Virtuosenglück brachte. In der Schinkelhalle hörten die Zuschauer brav den Sängerinnen und dem Countertenor zu, hatten Freude an Spiel und Gesang und spendeten schließlich kräftig Beifall. Der galt auch der vorzüglichen Damenkapelle Stella Maris, die die prachtvolle und farbintensive Barockmusik mit Frische und Gefühlstiefe interpretierte. Da konnte es sogar schon mal fetzig zugehen, wenn die Emotionen hochkochten, die man auf der Bühne vermisste. Mit diesem Ensemble und mit Christine Trinks machte I Confidenti jedenfalls einen guten Griff.

Weitere Vorstellungen heute um 19 Uhr und morgen um 16 Uhr in der Schinkelhalle, Schiffbauergasse

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