Kultur: Geheimnisse barocker Galanterie
Beim 11. Festval der Frauen erzählten Anja Fengler und Sarah Kühn über die Mode des 17. Jahrhunderts
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Sehr wohlproportioniert, gerüscht, geblümt und geschnürt begrüßten die Modedesignerinnen Anja Fengler und Sarah Kühn die Besucher des kulturhistorischen Exkurses am vierten Tag des 11. Festivals der Frauen im Frauenzentrum „primaDonna“. Mit würdevoll bemessenen Bewegungen, denn die aufwendige Garderobe hatte ihre eigenen Gesetze. Man wurde eingeladen, hinter die Geheimnisse barocker Galanterie zu schauen. Wenn man sich mit der postmodernen Mode beschäftige, käme man irgendwann auch zu den historischen Wurzeln, erklärte Anja Fengler. Schon seit vielen Jahren studierte sie die barocke Mode, die sich nach dem 30jährigen Krieg zuerst in Frankreich etablierte. Der Krieg hätte in ganz Europa die Sitten und Etiketten demontiert.
Am französischen Hof des absolutistischen Herrschers Ludwig XIV. begann man sich wieder der höfischen Umgangsformen zu erinnern und zu bedienen. Sie mit modischer Staffage zu unterstreichen. Seine ursprüngliche üppige Lockenpracht, die der eitle König gern zur Schau trug, verlor er bereits in jungen Jahren durch eine Bleivergiftung, die die schadstoffhaltigen Pudermittel verursachten. So wurde die Perücke erfunden, die bald ihren Siegeszug über ganz Europa antrat, und von allen vornehmen Adligen getragen wurde.
Während Rüschenhemd, Weste, Rock und Hose noch die natürlichen individuellen männlichen Formen zuließen, wurden die weiblichen Gegenspielerinnen sehr ungemütlichen Torturen unterzogen, um dem gesellschaftlichen Reglement zu entsprechen. Um eine Taille von 40 Zentimetern, die barocke Norm, zu erreichen, mussten die Schnürungen des Mieders bereits morgens begonnen werden. Nur so konnte man abends Wespentaille, Ausschnitt, Reifrock und Hüftpolster effektvoll beim Menuett präsentieren.
Neben der französischen Sprache spannen das schwarz-samtene Schönheitspflaster (mouche), das an den unterschiedlichsten Stellen des Gesichtes platziert wurde, und der Fächer ein zweites und drittes Kommunikationssystem, um Liebesbeziehungen zu knüpfen und zu entknüpfen. So bedeutete die mouche auf den Lippen die Kussfreudigkeit, auf dem Kinn die Verschwiegenheit, auf dem Mundwinkel die Geschwätzigkeit. Wer bisher glaubte, dass der Fächer eigens für die Ventilation frischer Luft erfunden wurde, konnte von Angela Fengler eines Besseren belehrt werden. Die jeweilige Haltung des Fächers hatte viele Botschaften: ich liebe Dich, ich hasse Dich, ich bin verheiratet, verzeih mir, vergiss mich nicht, auf Wiedersehen.Um die Mode in ganz Europa bekannt zu machen, wurden Puppen (Pandora) verschickt, deren Kleider von den europäischen Hofschneidern nachgearbeitet werden konnten.
Erst Napoleon schaffte diese nette Sitte ab, als er mit Europa Krieg führte. Das interessante kulturgeschichtliche Referat eröffnete im Anschluss eine lebhafte Diskussion über postmoderne weibliche Kleiderordnungen, die von den unterschiedlichen Generationen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Und noch lange nicht ideologiefrei sind. Aber auf bestem Wege sein könnten, dem vorurteilsfreien eigenen persönlichen Ausdruck zu dienen. Von Ihr und Ihm.
Barbara Wiesener
Barbara Wiesener
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