
© Stefan Gloede
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2016: Geisterhaftes Schauspiel
„Eine Nacht in Versailles“ eröffnete die Musikfestspiele an der Orangerie im Park Sanssouci
Stand:
Die barocke Prunksucht der französischen Könige, vor allem von Ludwig XIV., hat in der Geschichte unseres Nachbarlandes ihre Spuren hinterlassen – auch in musikalischer Hinsicht. Üppige orchestrale Schönheiten haben die Hofkomponisten für die Monarchen und der vermehrten Wahrnehmung ihres Glanzes und ihres Ruhmes geschrieben.
Für die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci hält die 62. Ausgabe des Festivals eine wahre Fundgrube von französischen Schätzen der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts bereit. Am Eröffnungswochenende konnten die Besucher aus nah und fern sich der orchestralen Klang- und Prachtentfaltung bereits kräftig erfreuen: beim Eröffnungskonzert mit dem Ensemble Les Ambassadeurs unter der Leitung des Meisterflötisten Alexis Kossenko in Potsdams Friedenskirche sowie am stimmungsvollen Aufführungsort unterhalb der Terrassen der Sanssouci-Orangerie. Die fast monströse Garten- und Schlossanlage des preußischen Königs Friedrich Wilhelms IV. bildete den Rahmen für das Konzert „Eine Nacht in Versailles“, jenen Ort, den französische Könige zu ihrem glanzvollen Lebens-Mittelpunkt machten.
Eingeladen zu dem Konzert im vollbesetzten Halbrund vor den Terrassen war das Orchester Le Concert des Nations unter dem Dirigat des weltberühmten Gambisten Jordi Savall, der den Klangkörper 1989 gründete. Drei Königen ging man mit Festmusiken auf die Spur: Ludwig XIII., Ludwig XIV., dem selbst ernannten „Sonnenkönig“, sowie Ludwig XV. Für den ersten Teil des Programms wählten die Veranstalter Hofballette aus der Sammlung von Philidor L’Aisné, die zu verschiedenen Anlässen geschrieben wurden: zur Weihe oder Hochzeit Ludwigs XIII. sowie zur theatralen Lustbarkeit, bei denen vor allem die Bläser das Sagen hatten. Die Auszüge aus den Opern „Alceste“ und „Alcione“, die Jean-Baptiste Lully beziehungsweise Marin Marais für den Sonnenkönig komponierten, warteten mit reicher musikalischer Abwechslung und größerer Eleganz auf. Dennoch: Das anhaltende opulente Repräsentations-Gehabe der Musik kann auch im Jahr 2016 ermüdend wirken, wenn sie als Medley offeriert wird. Nicht von ungefähr hat der Dichter Jean Racine das ständige Repräsentations-Gehabe im Versailler Musikleben als langweilig empfunden.
Nach der Pause erklang Musik von Jean-Philippe Rameau, dem Star-Komponisten Königs Ludwigs XV., mit Orchestersuiten aus dem Ballett „Les Indes galantes“ und der Oper „Naïs“. „Die außergewöhnliche Vielfalt, der Reichtum und der Erfindungsgeist der Orchestersprache, seine ganze Hinterlassenschaft von Möglichkeiten der Instrumentation weisen Rameau als den genialsten französischen Komponisten seiner Zeit aus“, hat Jordi Savall einmal über Rameau gesagt. Es schien, dass der Dirigent bei Rameau eine gewisse Zurückhaltung hinter sich ließ. Jedenfalls war sein Plädoyer für Rameau von Überzeugungskraft gekennzeichnet. Das dramatische Pathos und die Zartheit der intimen Szenen sowie die übermütigen Tänze und der Auftritt der Kämpfer haben Savall und das Concert des Nations schwungvoll und mit der ganzen Breite an Klangfarben, die Rameau für das Orchester vorgesehen hat, musiziert.
Dann kamen traditionell die Zuschauer auf ihre Kosten. Durch Illumination nahmen die Terrassen, die Skulpturen die Farben der Trikolore an. Die hohen Bäume des Parks drehten sich per Lichteffekten und gaben dem Ganzen ein geisterhaftes Schauspiel. Das Feuerwerk ist für viele Besucher der Höhepunkt des Konzertabends. Da sprudelte, donnerte und zischte es auf den Terrassen zur Musik Rameaus mit pyrotechnischen Effekten. Savall und sein Orchester ließen sich anscheinend davon nicht beeindrucken und spielten seelenruhig ihre Piecen bis zum Ende. Dann legte sich ein silberner Sternenregen kurzzeitig über die Terrassen. Das Publikum, das trotz der einbrechenden Kühle am Konzertort bis zum Schluss ausharrte, applaudierte dem Orchester Les Nations, Jordi Savall sowie den Pyrotechnikern sehr herzlich.
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