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Kultur: Geisterwelt

„Jamie Marks is dead“ beim Filmfest Potsdam

Von Sarah Kugler

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Es gab sie schon alle: die frechen Geister, die verlorenen Geister, die mordenden Geister und sogar die romantischen Geister. Regisseur und Drehbuchautor Carter Smith entwickelt in seinem aktuellen Film „Jamie Marks is dead“ eine neue, fast menschliche Art von Geist, der nach dem Tod das einfordert, was ihm im Leben verwehrt blieb: Liebe und Freundschaft. Am Mittwoch stellte er den Film zusammen mit Produzent Alex Orlovsky im Rahmen des 1. Internationalen Filmfests Potsdam im Thalia Kino vor.

Adam (Cameron Monaghan) lebt in einer tristen Kleinstadt. Seine Mutter (Liv Tyler) ist durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt, mit seinem Bruder hat er keinerlei Verbindung, Freunde hat er nicht. Als sein Mitschüler Jamie Marks (Noah Silver) tot aufgefunden wird, beginnt er sich für dessen Leben zu interessieren. Dabei lernt er Gracie (Morgan Saylor) kennen, die den Toten gefunden hat und nun den Geist von Jamie sehen kann. Als Adam entdeckt, dass er den Toten ebenfalls wahrnimmt und sogar mit ihm sprechen kann, entwickelt sich eine seltsame Beziehung zwischen den beiden. Dabei gerät Adam immer tiefer in Jamies Zwischenwelt und ist bald gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: für oder gegen das Leben.

„Jamie Marks is dead“, der schon auf dem Sundance Filmfestival sehr gelobt wurde, erzählt keine Geistergeschichte im klassischen Sinne. Der Film ist vielmehr eine einfühlsame Coming-of-Age-Story, welche die Einsamkeit der Teenager und deren Wunsch nach Beziehungen nachzeichnet. „Im Prinzip sind nicht nur die Jugendlichen, sondern alle Personen im Film auf der Suche nach Verbindungen“, sagte Smith beim Filmgespräch am Mittwoch. „Und diese Suche geht über den Tod hinaus.“ Als er das Buch „One for Sorrow“ von Christopher Barzak, auf dem der Film basiert, las, sei es genau dieser Aspekt gewesen, der ihn so faszinierte. An der Geistergeschichte habe ihn vor allem die Tatsache gereizt, dass die Untoten hier wie verlorene Menschen daherkommen, in all ihrer Körperlichkeit, ganz ohne Special Effects. „Mein letzter Film ,The Ruins’ war ja ein Horrorfilm und ich fühlte mich immer schon vom Dunklen angezogen“, so der Regisseur. „Aber hier war es eher die Einsamkeit der Protagonisten, die mich gepackt hat, das wollte ich erzählen.“ Vor allem die intensive Verbindung zwischen Adam und Jamie fasziniert dabei: Auf der einen Seite ein junger Mann, der nicht weiß, wohin sein Leben gehen soll und sich deswegen auf eine Reise jenseits der Realität einlässt. Ein Untoter auf der anderen Seite, der in seinem Leben nichts als Spott und Gehässigkeit erfahren hat und nun in Adam den Freund gefunden hat, den er nie hatte. Smith zeichnet diese Beziehung intensiv, fast ein wenig erotisch, jedoch niemals kitschig. Wenn Adam Jamie Wörter zuflüstern muss, um ihre Verbindung stärken, kommt Gänsehaut auf. „Es ist die Chemie zwischen den Darstellern, die diese unglaubliche Spannung zwischen den beiden aufkommen lässt“, sagte er. „Wir hatten so ein Glück mit Noah und Cameron und auch mit Morgan.“

Durch die intensive darstellerische Leistung erhält „Jamie Marks is dead“ eine knisternde Atmosphäre, die fast körperlich spürbar ist. Smith ist ein großartiges Independent-Film-Juwel gelungen, das in seiner einzigartigen Kombination aus Drama und Geistergeschichte noch lange nachhallen wird. Sarah Kugler

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