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Die Regisseure Volker Schlöndorff und Wim Wenders zu Gast in der Kirche der Oberlinstiftung.

© Manfred Thomas

Oberlinrede 2021: Glaubensbekenntnisse von Wim Wenders und Volker Schlöndorff

Wohin wenden sich Wim Wenders und Volker Schlöndorff in größter innerer Not? Die Regisseure sprachen in der Oberlinkirche über Gebet und Glauben. 

Potsdam - Was trägt ein Leben? Diese größte aller Fragen stand im Zentrum der Oberlinrede 2021. Gehalten am Mittwoch, im Jahr des 150. Stiftungsjubiläums: ein Jahr im Zeichen der Trauer. Der Mord an vier Menschen in unmittelbarer Nähe der Stiftungskirche, wo die Rede stattfand, bildete den düsteren Horizont der Veranstaltung. 

Die Eingangsfrage stellt sich heute akuter denn je, sagt Pfarrer Matthias Fichtmüller anfangs. Statt einer Rede folgen zwei: Geladen sind Volker Schlöndorff und Wim Wenders. Zwei der namhaftesten Regisseure Deutschlands sind aufgefordert, über ein zutiefst intimes Thema zu sprechen: Gebet. Wohin wenden sie sich in größter Not? 

Schlöndorffs Mutter starb schon 1944

Unterschiedlicher könnten die Zugänge der beiden kaum sein. Volker Schlöndorff, eigener Aussage nach „vor vielen Jahrzehnten“ aus der Kirche ausgetreten, sei die Religion betreffend eigentlich fehl am Platze, sagt er. Dennoch betet er – seit dem Jahr 1944. Damals starb seine Mutter, „verbrannte lichterloh“. Er war gerade fünf. 

Ein schwedisches Kindermädchen, eine Pfarrerstochter, bringt Schlöndorff bei, im Abendgebet die Mutter einzuschließen. „Zehn Jahre hat sich das Gebet in meine Synapsen eingebrannt.“ Fortan glaubt der Junge, dass seine Mutter ihn sehen kann, fühlt sich von ihr geschützt. Heute noch betet der 82-Jährige zu ihr, „eine ewig junge Frau von 33 Jahren.“ „Beten schaltet das Denken aus“, sagt Schlöndorff. „Das Gebet schafft Leere.“

Wenders begleitete den Vater in den Tod

Volker Schlöndorff liest seine Rede ab, Wim Wenders spricht frei. „Hätte ich versucht, das aufzuschreiben, würde ich immer noch schreiben“, sagt er. Wenders hatte sich wie Schlöndorff vom Glauben abgewendet – ihn aber wiedergefunden, als er den eigenen krebskranken Vater in den Tod begleitete. Dessen „Gottvertrauen“ habe ihn völlig furchtlos sein lassen.

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Für Wenders, der 2018 einen Film über Papst Franziskus gemacht hat, ist der Glaube „eine Sache der Sprache“. Die Kunst traue sich das Sakrale schon längst nicht mehr zu – anders als noch Regisseure wie Ingmar Bergmann. Er selbst habe in „Engel über Berlin“ nach einer Bildsprache der Liebe gesucht: „Wir wollten der Kamera beibringen, wie Engel auf die Stadt zu gucken.“

Worauf hoffen?

Wenders berichtet rhetorisch fesselnd von einer Reise in das Heilige Land. Dort wurde er, als Fotograf unterwegs, nicht fündig: Die Orte sprechen nicht zu ihm. Er verzweifelt. Erst auf einem Feldweg westlich von Jerusalem entdeckt er zufällig Überreste einer römischen Straße: „meine „Glaubensstraße“. Dürfte er nur ein Bild behalten, es wäre das, das hier entstand. 

„Worauf hoffen Sie?“, fragt Fichtmüller am Ende. „Für vieles ist heute keine Hoffnung mehr da“, sagt Wim Wenders da. Wenn, dann hoffe er auf die gelebte Rückkehr eines in Vergessenheit geratenen Wortes. „Gemeinwohl.“ 

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