
© Manfred Thomas
Kultur: Gotteslob qua Musik
Friedrich Meinel schreibt sich in das Goldene Buch Potsdams ein / Orgelfesttage in der Erlöserkirche
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Wenn in naher Zukunft keine neue Orgel kommt, dann würde er nicht kommen. Unmissverständlich war die Forderung Friedrich Meinels vor 57 Jahren bei seiner Bewerbung für die Kantorenstelle an der Erlöserkirche. Der Gemeindekirchenrat versprach ihm ein neues Instrument. Dies sollte sich als ein Segen für die Gemeinde, ja für die gesamte Stadt, herausstellen. Meinel, der in Schneeberg im Erzgebirge geboren wurde, an der Kirchenmusikschule in Halle studierte und im thüringischen Mühlhausen als Kantor wirkte, kam nach Potsdam. Mit seinem Namen verbinden sich seitdem bewegende und auch aufrüttelnde Hör-Erlebnisse vor allem in seiner Erlöserkirche. Dieses Gotteshaus hatte er zu einem Zentrum der Musica sacra gemacht. Die Voraussetzungen für eine künstlerische Berufung – Demut am Werk, Demut in der Kunst, aufopfernde Hingabe – sie waren und sind ihm in seltenem Maße gegeben. Ihm geht es dabei um ein überzeugendes „Gotteslob qua Musik“. In Anerkennung seiner Verdienste hat die Kirchenleitung ihm den Titel Kirchenmusikdirektor verliehen.
Am kommenden Sonntag wird er letztmalig die Verantwortung für den Organistendienst an der Erlöserkirche wahrnehmen. Für ihn, so sagt er selber, ist es an der Zeit, 17 Jahre nach der Pensionierung, nun ganz in den Ruhestand zu treten. Fast jeden Sonntag war er bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad unterwegs, um die Orgel in Gottesdiensten zu spielen.
Als Friedrich Meinel 1957 seine Stelle antrat, thronte auf der Orgelempore noch eine „Königin“, die von der Firma Sauer, Frankfurt an der Oder, erbaut wurde. Sie genügte längst nicht mehr klanglichen und technischen Ansprüchen, um darauf die Vielfalt des Orgel-Repertoires darzustellen. Sieben Jahre nach Meinels Ankunft in Potsdam konnte ein neues Instrument eingeweiht werden. Die Firma Schuke, die in der damaligen Bezirkshauptstadt Potsdam beheimatet war, baute eine Orgel mit 37 Registern und neobarockem Klangideal. Durch ihren silbern-transparenten Klang wurde das gottesdienstliche Musikgeschehen wesentlich bereichert. Nun konnte Friedrich Meinel auch regelmäßig Konzerte veranstalten und bekannte Organisten einladen. Höhepunkt ist seit 24 Jahren der jährlich stattfindende Internationale Orgelsommer. Dieses gemeinsam mit dem einstigen Kantor der Friedenskirche Sanssouci initiierte und organisierte Festival gehört heute zu den kulturellen Höhepunkten der Landeshauptstadt.
Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit an der Erlöserkirche hielt Kantor Meinel Ausschau nach sängerischer Verstärkung für die Kantorei. Er hatte Erfolg. Eines Tages konnte er das erste chorsinfonische Werk aufführen: Georg Friedrich Händels „Dettinger Te Deum“. Die Kantorei wurde zu einem tragfähigen und qualitätsvollen Klangkörper Potsdams. Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil zur gleichen Zeit Ekkehard Tietze an der Friedenskirche den Oratorienchor gründete. Friedrich Meinel hat mit seinem Chor, der schließlich rund 120 Mitglieder zählte, ein riesengroßes Oratorien-Repertoire von Bach über Schubert, Mendelssohn, Brahms, Bruckner bis zu Britten, Chemin-Petit oder Helmut Barbe erarbeitet und aufgeführt. Nicht nur die Kantorei machte von sich reden, sondern auch der Motettenchor, mit dem er oftmals auf Konzerttournee ging, sowie der Kinderchor. Seine Frau Annemarie, ebenfalls Kirchenmusikerin, war ihm bei all seinen Aufgaben eine unentbehrliche Stütze, künstlerisch wie organisatorisch. Das musikalische Geschehen an der Erlöserkirche blüht glücklicherweise unentwegt weiter, dank des künstlerischen Leiters Ud Joffe.
Nach der politischen Wende im Jahre 1989 berief die Universität der Künste Berlin Meinel zum Professor für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation. Die Ausbildung von jungen Leuten zu Kirchenmusikern war ihm eine Herzensangelegenheit. Doch die Schuke-Orgel blieb Friedrich Meinels Lieblings-Musizier-Ort. Auch wenn die Orgel-Landschaft seit 1990 in Potsdam größer geworden ist, ist das Instrument in der Erlöserkirche unverändert beliebt. Auch der gebürtige Potsdamer Christian Skobowsky, der bei Meinel ersten Orgelunterricht bekam und heute als Kirchenmusiker am Ratzeburger Dom tätig ist, musiziert gern auf ihm. Am kommenden Samstag gibt er um 19.30 Uhr ein Konzert an der Schuke-Orgel. Es gehört zu den Orgelfesttagen anlässlich der Inthronisation der „Königin der Instrumente“ vor 50 Jahren. Einen Tag zuvor, am Freitag, um 19.30 Uhr spielt der Amsterdamer Organist Leo van Doeselaar Werke von Corelli, Händel, Dupré und Haydn. Als musikalische Partner stehen ihm dabei das Neue Kammerorchester Potsdam und Dirigent Ud Joffe zur Verfügung. Im Gottesdienst um 11 Uhr am Sonntag wird die Bach-Kantate „Wir danken dir, Gott“ von der Potsdamer Kantorei und dem Neuen Potsdamer Kammerorchester unter dem Dirigat von Ud Joffe musiziert. Friedrich Meinel verabschiedet sich hier als Organist der Gemeinde. Ab dem Heiligen Abend übernimmt Tobias Scheetz seinen Dienst.
Nach dem Gottesdienst wird die Stadt Potsdam Kirchenmusikdirektor Friedrich Meinel ehren. In Anwesenheit von Oberbürgermeister Jann Jakobs wird er sich in das Goldene Buch der Stadt eintragen. Klaus Büstrin
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