
© Aljoscha Redenius.
Uni-Festival compArte: Grenzenlose Kultur trifft auf Potsdam
Das Festival compArte will die Kunst und Theorie der Transkulturalität in die Stadt bringen. Organisiert haben es Studierende der Uni Potsdam.
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Frido Mann wird den Altersdurchschnitt der Festivalkünstler mächtig heben. Der Enkel von Thomas Mann, 75 Jahre alt, ist wohl prominentester Gast des Festivals compArte. Die anderen Schriftsteller, bildende Künstler, Musiker, die beim morgen beginnenden Festival auftreten, sind hingegen zwischen 20 und 40 Jahre alt. Was sie mit Frido Mann aber eint, sind ihre lateinamerikanischen Wurzeln. Dessen Urgroßmutter, Julia Mann, stammte bekanntermaßen aus Brasilien.
Der transkulturelle Austausch mit Künstlern aus Lateinamerika, Spanien und Deutschland ist Thema von compArte – ein Titel, bei dem das spanische Verb „compartir“ („teilen“) anklingen soll. Zum ersten Mal haben Studierende der Romanistik der Universität Potsdam ein Festival ins Leben gerufen, das Theorie und Praxis miteinander verbinden und mitten in die Stadt hinein strahlen soll. Der Versuch, den Austausch zwischen Uni und Stadt zu beleben, geht auf Julia Bayerl zurück. Die 33-Jährige ist Dozentin und Doktorandin bei Ottmar Ette am Institut für Romanistik. Wie ihr Doktorvater forscht sie über Humboldts Amerikanische Reisetagebücher – sie vor allem über die Zeichnungen darin. Bereits an ihrem vorigen Studienort Regensburg war sie Koordinatorin eines spanischsprachigen Film- und Kulturfestivals. „Das war für mich so eine gute Erfahrung, ich habe viel gelernt und Künstler aus Spanien und Lateinamerika kennengelernt. Das wollte ich auch für Potsdamer Studenten anbieten.“
Seit vergangenem Sommersemester haben nun acht Studierende ein Festival vorbereitet und sich zugleich mit der Theorie der Transkulturalität beschäftigt. Die versteht Kulturen als sich überlagernde, in sich greifende Geflechte. Oder in den Worten von Julia Bayerl: „Das Herdersche abgeschlossene Kulturmodell ist passé. Die Grenze zwischen der eigenen und der anderen Kultur ist nicht mehr eng und verschlossen.“ Im Grunde sei nicht mehr genau zu definieren, ob ein Künstler typisch deutsch oder spanisch sei, so Bayerl. Die Transkulturalität hat denn auch die Auswahl der Künstler bestimmt. Die meisten von ihnen sind in Lateinamerika geboren und leben seit geraumer Zeit in Berlin. Das Leben als Ausländer in Berlin sollte auch in ihren Arbeiten präsent sein. Angesichts der großen Zahl der in diese beide Kategorie fallenden Künstler favorisierten Bayerl und ihr Team letztlich Werke, deren Stil sie faszinierte und die vor allem einen sinnlichen Zugang ermöglichten. „Schließlich soll man das Festival auch einfach genießen können – ohne Theorie“, so Bayerl.
Fündig wurden sie dabei auch im Umkreis von Ottmar Ette selbst. Denn der Romanist und Komparatist versammelt gerade unter seinen Doktoranden oft außergewöhnliche Talente – jenseits der wissenschaftlichen Arbeit. Sie verkörpern oft nicht nur das Transkulturelle, sondern sozusagen auch das Transdisziplinäre, zwischen Wissenschaft und Kunst.
Alan Mills ist ein Beispiel dafür. Der 1979 in Guatemala geborene Mills lebt seit vier Jahren in Berlin und ist Doktorand bei Ette. Nebenbei hat er bereits einen Roman und Gedichte veröffentlicht. In einer Lesung im Freiland Anfang Februar wird er sein neuestes Buch „Eine Subkultur der Träume“ vorstellen. Darin versammelt er Tweets, in denen er mit dem literarischen Welterbe von Kafka bis Borges spielt, das poetische Schreiben auf jeweils 140 Zeilen begrenzt und dabei Welten eröffnet. Die spanische Tageszeitung „El País“ zählt Alan Mills bereits zu den neuen spanischsprachigen „im Netz geborenen Dichtern“.
Und auch der herausragende brasilianische Germanist Paulo Astor Soethe arbeitet eng mit Ette zusammen. Der DAAD- Grimm-Preisträger lebt derzeit in Potsdam, er hat zu Thomas Manns „Der Zauberberg“promoviert und forscht zum brasilianischen Familienbezug der Brüder Thomas und Heinrich Mann. In der Lesung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte werden sich Soethe und Frido Mann unter dem Titel „Die Manns und die Musik – eine Weltmelodie“ der Musikalität der Familie widmen. Frido Mann wird außerdem aus seinem jüngstem Buch, dem autobiografischen Essay „An die Musik“ lesen.
Im Offenen Kunstverein präsentieren sich ab morgen zudem in Berlin lebende bildende Künstler aus Spanien und Lateinamerika. „Ich finde es großartig, dass eine Dozentin mit ihren Studenten ein Festival auf die Beine stellt“, sagt Sabine Raetsch vom Offenen Kunstverein. Seit der Studiengang Kunsterziehung im Jahr 2009 abgeschafft wurde, sei in der Innenstadt von der universitären Arbeit kaum noch etwas zu sehen. Allein deshalb hofft Raetsch auf eine Fortsetzung von compArte. Gleichzeitig kritisiert sie den Umgang der Stadt mit den Festivalmachern. Denn eine finanzielle Förderung hat Initiatorin Julia Bayerl bislang nicht erhalten. Über einen Antrag auf Kulturförderung, den sie im Herbst stellte, will die Stadt erst Ende Februar – nach dem Festival – entscheiden. Fehlende Gelder für Werbung dürften so mit dazu beigetragen haben, dass compArte im öffentlichen Raum bislang so gut wie nicht präsent ist.
Das Festival compArte findet vom 16. Januar bis zum 21. Februar an unterschiedlichen Orten statt. Am morgigen Samstag um 16 Uhr ist im Offenen Kunstverein im Kuze, Hermann-Elflein-Straße 10, Vernissage und Festivaleröffnung „compArte – eine transkulturelle Ausstellung“. Alan Mills liest aus seinem Buch „Eine Subkultur der Träume“ am Samstag, dem 6.Februar, im Café des Freiland, Friedrich-Engels-Straße 22. Frido Mann und Paulo Astor Soethe lesen am 13. Februar um 17 Uhr im Konferenzsaal des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt 9. Claudia Pérez Iñasta begleitet die Veranstaltung am Violoncello.giw
Das vollständige Programm des Festivals ist zu finden unter
www.compartefestival.tmblr.com
Grit Weirauch
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