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Von Heidi Jäger: Hängepartie

Tanztage, Sommerfestival, Tanz in den Schulen – alles steht in Frage. Die „fabrik“ kämpft bei der Stadt um 40 000 Euro mehr

Stand:

Shakespeares „Sommernachtstraum“ auf Koreanisch? Oder ein circensisches Feuerwerk aus Australien in flirrender Sommernacht? Auch Anarchie und Chaos mit den vielfach ausgezeichneten Tanzbarden „Derevo“ aus St. Petersburg und Dresden könnten die lauen Abende in Potsdam verkürzen. Ebenso wie poetische Begegnungen mit den nimmermüden Wandermimen von „Ton und Kirschen“. Alles vereint in einem zehntägigen Festival würde einer hitzetoten Kulturstadt den Garaus machen. Die „fabrik“ jedenfalls möchte gern die Sommerbrache Schiffbauergasse mit einem Mini-Festival befruchten und wie bereits im Vorjahr mit den Himmelsstürmern aus Chile, ein launiges Kulturpaket für urlaubsmuffelnde Daheimgebliebene und Touristen der Stadt schnüren.

Sie würden – wenn sie es denn könnten. An Ideen und künstlerischem Unterpfand fehlt es den international erprobten Tänzern wahrlich nicht, wie sie es 20 Jahre unter Beweis stellten und wie es die Besucherrekordzahl von 42 000 im vergangenen Jahr zeigte. Allein es mangelt am Geld.

So haben die Tänzer der „fabrik“ zwar erste Absprachen mit den potentiellen Sommergästen getroffen – doch alles unter Vorbehalt. Denn die Kultureinrichtung weiß nicht einmal, ob sie demnächst noch den Strom für ihre Rechner bezahlen kann. Wie bereits mehrfach angemahnt, fehlen dem Zentrum für zeitgenössischen Tanz 40 000 Euro, um die auf acht Mitarbeiter geschrumpfte Crew und die laufenden Kosten zu bezahlen. Doch die scheinen, anders als beim Hans Otto Theater, bei dem auf die Schnelle 200 000 Überlebens-Euro locker gemacht werden konnten, für den freien Kulturträger nicht aufzutreiben zu sein. Dabei bespielen die Tänzer eine städtische Einrichtung, die ganz speziell für sie aufwendig ausgebaut worden ist. Die Stadt ließ sich also durchaus den zeitgenössischen Tanz etwas kosten. Dass nun aber auch Geld da sein muss, um die sanierten und erweiterten Räume zu bespielen, liegt wohl auf der Hand. Ebenso dass sie im Unterhalt mehr kosten als das kleinere, von der „fabrik“ zuvor bespielte Fischhaus. Was nutzen also tolle Räume, wenn man sie nicht „bevölkert“? Dabei soll doch gerade die Schiffbauergasse das „Villenviertel“ der Kultur sein, mit dem man protzen und über die Stadt hinaus strahlen kann und mit Großereignissen die Massen an den Tiefen See locken will.

Die finanzielle Sicherheit der vergangenen fünf Jahre, in denen die „fabrik“ durch den „Tanzplan Potsdam“ Geld von Bund, Land und Kommune bündeln konnte, ist vorbei. Es war eine Auszeichnung für die „fabrik“ und damit für die Stadt, dass sie sich an diesem Forschungsprojekt für den zeitgenössischen Tanz beteiligen konnte. Nun hat man ihr den Orden wieder abgenommen und die Gebetsmühle um das leidige Thema Geld ist erneut angeworfen – so als wäre in den fünf Jahren nichts passiert. Es war zwar durchaus klar, dass die an den „Tanzplan“ gekoppelte Förderung nicht in voller Höhe beibehalten werden würde und die Mittel von Bund und Land auslaufen. Doch dass jetzt das Geld nicht mal mehr reicht, um die normale Infrastruktur zu erhalten, ist für die Mitarbeiter schlichtweg eine Ohrfeige: „Unser Fehlbedarf ist existentiell“, sagt die künstlerische Leiterin, Sabine Chwalisz, mit Nachdruck. Der Etat sei von 583000 auf 333 000 Euro geschrumpft. „Die Stadt lässt uns im Regen stehen. Das kostet so viel Kraft. Dabei bringen wir die Welt hierher und damit neue Sichten. Das sollte sich die Landeshauptstadt nicht nehmen lassen.“

Auch die erfolgreichen Tanztage, die international für Furore sorgen und stets im Mai eine sichere Besucherbank sind, stehen auf wackligen Füßen. Sven Till rauft sich geradezu die Haare. Der Tänzer strickt seit Monaten an einem spannenden Angebot und muss gleichzeitig die Maschen wieder fallen lassen. Er kann keine verbindlichen Zusagen treffen, wenn die Finanzierung nicht steht. „Es ist eine Farce. Jetzt haben wir die ITB und wir können nicht mal sagen, was für ein Programm die Tanztage haben werden“, klagt er.

Gute Netzwerke, die gerade auch durch den „Tanzplan“ geknüpft werden konnten, der Kompanien kostenlose Residenzen zum Experimentieren bot, sind das eine. Verlässlichkeit das andere. „Und gerade auch für Drittmittelgeber müssen wir zuverlässige Partner sein. Doch auch da sind wir auf die Kofinanzierung durch die Stadt angewiesen. Ein Teufelskreis“, sagt Sabine Chwalisz. „Man nimmt uns die Möglichkeit, aktiv zu gestalten. Dabei kann die Schiffbauergasse nur funktionieren, wenn jeder Einzelne ein starker Anbieter ist.“ Dass die Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski nicht möchte, dass der Tanzplan fortgesetzt wird, weil er, ihrer Meinung nach, zu wenig Ausstrahlung auf die Stadt gehabt habe, sei durchaus legitim, räumt die Tänzerin ein. „Aber man kann uns jetzt nicht mit den finanziellen Konsequenzen allein lassen.“

Die „fabrik“ möchte weiter ihr Aufführungsprogramm, „Tanz in den Schulen“ und natürlich die Tanztage bestreiten. Und auch renommierte Gruppen in das Kulturgeviert holen, wie die heute in der Reihe „Meisterchoreografen“ auftretenden Kanadier „O Vertigo“. „Dass wir die hier haben, ist der Hammer“, freut sich Sven Till. „Es ist ein einzigartiges Gastspiel und steht für das, was das Publikum an Tanz liebt.“ Ein dreiviertel Jahr wurde dieser Auftritt vorbereitet, der zwischen Wien und Glasgow in Potsdam stattfindet. Und nicht in Berlin! „Wir würden gern monatlich so ein Highlight anbieten. Das täte dem Standort gut“, sind sich die Tänzer sicher. Umso weiter allerdings feste Haushaltszusagen seitens der Stadt hinausgeschoben werden, umso teurer wird es am Ende. Jeder weiß aus dem eigenen Portmonee, dass Flugzeug und Bahn nicht erst in letzter Minute gebucht werden sollten, will man bezahlbar reisen. Und um namhafte Gruppen an Land ziehen zu können, müssen auch die besten Vernetzungen mit Geld durchflochten sein. Ein freundschaftlicher Händedruck macht noch keinen heißen Sommer.

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