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Kultur: Harmoniesüchtige Plaudereien Podiumsgespräch mit Kulturministerin Wanka

über die kulturelle Zukunft des Landes

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Er wolle nicht das aktuelle kulturpolitische Geschehen diskutieren, stellt Christian Kneisel, Intendant und Geschäftsführer des Brandenburger Theaters, gleich zu Beginn des Podiumsgespräches in seinem Haus mit Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka klar. Das Thema heißt „Zukunftsperspektiven des kulturellen Lebens im Land Brandenburg". Auch habe er ganz persönliche, womöglich die Zuhörenden nicht interessierende Fragen an seinen Gast. Ein merkwürdiger Einstieg in den Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Brandenburger Reflexionen“. Die Gesprächspartnerin schaut leicht irritiert, denn sie weiß nicht, wozu sie an diesem Montagabend im überfüllten Theaterfoyer eigentlich gebeten ist.

Wer sie kennt, weiß um ihre Sachkunde, ihre direkte Art, Dinge zu benennen und in Zusammenhänge zu stellen. Folglich muss man ihr nur die richtigen, das heißt konkreten Fragen stellen, um sie aus der Reserve zu locken. Wenn nicht, erhält man Antworten wie: „Kultur ist grenzüberschreitend“ oder „Kultur ist eine Aufgabe, die von den Kommunen getragen wird“. Was, wenn diese es nicht können oder wollen, weil es eine freiwillige Aufgabe ist, an die die Finanzakrobaten in Stadt und Land zuerst den Rotstift ansetzen, wenn es ans Sparen geht. Dass die Ministerin erneut dafür plädiert, Kultur als eine „pflichtige Aufgabe“ einzustufen, macht sie der havelländischen Intelligenzija sympathisch. Diese erhofft sich kompetente Auskunft darüber, wohin die kulturelle Reise künftig gehen wird. Das wiederum interessiert Kneisel nur am Rande, der mehr monologisiert als dass er moderiert. Seine Ausfragungen der Ministerin gleichen harmoniesüchtigen Plaudereien an havelländischen Kaminen.

Dass Kultur und Kulturtourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, wusste man bereits. Auch, dass die Spendenbereitschaft der Wirtschaft eher verhalten ausfällt. Beklagt wurde das Fehlen von großen Firmen, der mittelständische Betriebe allerdings gar nicht erst erwähnt. Nach dem Warum für diese und andere Situationen wurde nicht gefragt. Als die Erkundigungen bei der demographischen Entwicklung im Lande anlangen und der Zuzug von Künstlern aus osteuropäischen Ländern oder „weit entfernten Kulturkreisen“ (Wanka) zur Sprache kommt, wird diese Problematik nicht weiter hinterfragt. Und wenn immer weniger Menschen in Regionen wie Uckermark oder Prignitz leben? „Ist es per se doch nicht schlecht“ – für Kanada und Australien sei es gar eine touristische Attraktion. Schöne Aussichten. Auf die Frage, wie „wünschenswert oder real“ das Land in zehn Jahren kulturell dastehe, bleibt die Ministerin allgemein. „Alle diesbezüglichen Überlegungen sind hypothetisch, weil im Zusammenhang mit der Entwicklung der Finanzen stehend.“ Eine Binsenweisheit, denn viele Kulturinstitutionen können ein Lied davon singen, wenn unter ihren Zuwendungsbescheiden der Vermerk „unter Haushaltsvorbehalt“ steht. „Wünschenswert“ sei, so die Ministerin, dass Berlin und Brandenburg noch deutlicher als bislang als eine Kulturregion wahrgenommen werden. Na toll. Und dass es gelte „viele Potenziale im Land zu entwickeln“. Tatsächlich?!

Geht“s vielleicht ein bisschen konkreter, mag sich da mancher gedacht haben, wie beispielsweise die aufmerksam lauschenden Vertreter des in seiner Existenz stark gefährdeten Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt. „Die Zahl der Orchester in Deutschland beträgt 160, so viel wie im Rest der Welt“, so Wanka. „Wir müssen uns fragen, wie viele davon sind haltbar.“ Punkt. Kein Wort (und keine Nachfrage) zur Situation und Zukunft in der Uckermark (Preußisches Kammerorchester in Prenzlau). Angesprochen auf die Tatsache, dass 70 bis 95 Prozent der Kulturfinanzen für die Bewahrung des Vergangenen verwendet und nur ein kläglicher Rest für“s Zeitgenössische aufgewendet werde, orakelte die Ministerin: „Es gibt Disproportionen in den Fördermechanismen. Da umzusteuern, wenn der Kulturfinanztopf eher kleiner wird, ist schwierig.“ Wer hätte das gedacht.

„Zeitgenössische experimentelle Musik ist?“, fragt Kneisel, worauf Wanka fragebogenkurz antwortet: „wunderbar“. Und was fällt ihr zur Theater- und Orchesterlandschaft in Brandenburg ein? „Mehr sehen, was wir haben, weniger jammern“. Der Gesprächsleiter hat sich seinen Abgang verschafft – und insgesamt das Thema des Abends total verfehlt. Dann darf das Publikum nachfragen. Was bedeute ihr Kultur, will einer wissen. „Alles was das Leben lebenswerter macht.“

Ob es in zehn Jahren noch den Theater- und Orchesterverbund geben wird, möchte ein anderer wissen. „Dass ist nur gemeinsam mir den beteiligten Städten und ihren Oberbürgermeistern zu klären.“ Einer, der aus Frankfurt (Oder), ist gerade dabei, im Alleingang dem Staatsorchester den städtischen Anteil um die Hälfte zu kürzen. Sehen so die Zukunftsperspektiven für das kulturelle Leben im Lande aus? Wenn ja, dann gute Nacht Brandenburg. Peter Buske

Peter Buske

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