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Kultur: Heilige Köstlichkeiten

Feuer- und Wasserzeichen sowie Porträtmalen bei den Offenen Ateliers

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Vergoldete Dominosteine, heiße Schokolade, Engel und Kerzenschein: Das Atelier Kunstgriff 23 hilft mit seinen „Heiligen Köstlichkeiten und Köstlichen Heiligkeiten“ auch dem letzten Romantikmuffel auf die Sprünge. Ein Pressetermin am grauen Donnerstagmorgen, bei dem man sich gern vom vorweihnachtlichem Flair umgarnen lässt. Zumal das süße, barock schwelgende Kunstwerk, auf dem sich auch die legendären Windbeutel–Schwäne aus dem Café Heider niedergelassen haben, nicht nur ein Genuss fürs Auge sind. Dieses zum Verzehr freigegebene Kunstwerk von Annette Paul und Heike Isenmann erlebt am Sonntag zum Tag des Offenen Ateliers eine Wiederholung. Und alle kunstsinnigen Leckermäuler sind an der Tafel willkommen.

„Ich liebe süße Sachen“, sagt die Bildhauerin und Erlebniskünstlerin Annette Paul, die ihre Pfunde des Genusses keineswegs verbirgt. Am Sonntag zeigt sie neben einem „Pralinenfilm“, in dem sie langsam ein Stück Konfekt im Munde schmelzen lässt, ihren Ballerinafilm, den sie für eine Ausstellung in einem verlassenen Hochhaus in Dresden gedreht hat. Das unwirtliche Domizil mit seinen geschmacklosen Blümchentapeten verwandelte sie in ein kleines Schmuckkästchen: mit Blattgold, Schokoplättchen und Seifenrosen. Und als Krönung gab es den Auftritt der Künstlerin als Ballerina: mit Rosa Tütü und Spitzenschuhen. „Natürlich haben alle gelacht, denn ich sah furchtbar aus: wie eine hopsende Ente. Aber ich habe mir damit einen Kindertraum erfüllt. An sich kann ich mich gut bewegen, aber ich bin das Dreifache einer Ballerina. Eben weil ich so gern Schokolade esse.“ Dennoch macht sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube, trägt die Lust nach außen und bricht damit gern die Erwartungen des Publikums. „Verinnerlichen, genießen, wahrnehmen“, so das Konzept der Bildhauerin, die seit zwei Jahren in Potsdam lebt, dort, wo sie vor dem Studium bereits alte Schönheiten restaurierte, das Teehaus vergoldete und ihrer Liebe zum Barocken frönte.

Ganz anders wird der Besucher des Offenen Ateliers am Sonntag in der Malwerkstatt von Sebastian Kommerell empfangen, der ebenfalls vor zwei Jahren nach Potsdam zog. „Bei mir ist alles sehr spartanisch.“ Dafür wird er ab 12 Uhr den Pinsel bereit halten, um auf Wunsch die Gäste auf Öl-Skizzen zu porträtieren. Für 100 Euro die Stunde kann man sich damit etwas sehr Individuelles für den Gabentisch „ersitzen“. Der aus Berlin stammende junge Maler und Musiker weiß zudem, mit Landschaftsbildern von Potsdam und Umgebung stimmungsvolle Farb- und Lichtspiele einzufangen.

Die Landschaft ist es auch, von der sich Peter Vogel inspirieren lässt. Ihn zieht es an die See. Auf Rügen und Föhr findet er Motive, erarbeitet Skizzenbücher und Bilder in Öl. Mit seinen vier großen Werken zum Potsdamer Stadtschloss kann er zudem die Vorfreude auf den nun endlich auf den Weg gebrachten, barocken „Mitte schön“-Landtag schüren.

In die gestern versammelte Runde der Neu-Potsdamer reihe sich Rapunzel Bräutigam ein, die auf der Burg Giebichenstein Keramik und Bildhauerei studierte. In ihrem Atelier in der Gutenbergstraße wird sie Sonntag „Rauchzeichen“ geben und ihre Objekte aus Raku-Keramik vorstellen. Das preisgünstige Schnäppchen zum Fest ist wohl eher nicht darunter, denn für diese anspruchsvollen Arbeiten in der speziellen Rauchbrandtechnik müssen schon 120 bis 200 Euro auf den Tisch gelegt werden. Rauchzeichen lässt auch der Wiener Grafiker Dieter Puntigam aufsteigen, der bei der Keramikerin Ateliergast ist und sicher ab 16 Uhr auch gern ins Adventssingen mit einstimmt.

Statt Rauch- gibt es bei Beret Hamann Wasserzeichen. Sie erhofft sich durch das Offene Atelier weitere Impulse für ihr Projekt „Die Fluss – Schöpfung“, das sie im Sommer begonnen hat und bis Ende 2008 fortsetzen möchte. Sie sammelt Wasserproben von Flüssen und die dazu gehörigen Schöpfungs-Fotos und Geschichten. Am Ende soll eine große Installation entstehen und eine Baumpflanzaktion starten. Dazu begießt sie derzeit drei Eichen-Ableger aus Schöneiche sorgfältig mit verschiedenem Flusswasser, das sie in Marmeladen -oder Senfgläsern von diversen Zuträgern gereicht bekam. Die Proben sind aus Havel und Wublitz, von Rhein und Weser, ja sogar aus dem französischen L“Herault und OleA aus Bornholm. Und sie erzählen zugleich über die Spender: wie sie sich mit ihrer Heimat identifizieren. „Vielleicht wird später ein Buch daraus“, so Beret Hamann, die sich, wie die insgesamt 30 Künstler und sechs Galerien beim nunmehr 15. Offenen Atelier auf viele neugierige Gäste freut, die ihre Schwellenangst zur Kunst überwinden. Und vielleicht hilft ja dabei nicht nur ein vergoldetes Dominobuffet.

Adressen und Informationen unter www.potsdam.de oder Tel. 2891940/47.

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