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Wie man sich bettet. Anna Schmids Installation „MitDirMorgen“ in der Ausstellung „HochZeiten“ auf dem Belvedere des Pfingstbergs.

© promo

Kultur: Heirate dich doch einfach mal selbst

Die „HochZeiten“ auf dem Pfingstberg-Belvedere

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„Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß, wie Wolken schmecken“, dichtete der Romantiker Novalis. Als die Worte verklungen und die Töne der Orgel aus dem kleinen Pomonatempel beim Belvedere in die laue Sommernacht entschwunden sind, gibt sich Maria das Ja-Wort: „Ich, Maria, verspreche mir, mir von nun an in guten und in schlechten Tagen treu zu sein und mich zu lieben und zu ehren, solange ich lebe.“ Maria unterzeichnet ihre Heiratsurkunde. Die bestätigt ihr, dass sie nun mit sich selber vermählt ist. Die Zeremonie beginnt erneut.

„HochZeiten“ ist der Titel der aktuellen Ausstellung im Belvedere auf dem Pfingstberg, von dessen Türmen der Blick weit über Potsdam und Brandenburg schweift. Am Wochenende haben sich in der kleinen Kapelle des Pomonatempels etwa 30 Menschen versammelt um zu heiraten, nicht einen anderen Menschen, sondern sich selbst. Claudia Geisler, eine Berliner Schauspielerin, hat das Zeremonial ersonnen. Die Kuratorin der Ausstellung, Ellen Kobe, ist erstaunt über den Andrang. Nach kurzer Zeit sind die Heiratsurkunden für die Selbstvermählungswilligen ausgegangen. Erneut Orgelklänge, Flötenspiel. Die Türen des Tempels werden geöffnet. Licht strömt in den Raum, der zuvor bei heruntergelassenen Jalousien im Halbdunkel lag. Die weihevolle Stimmung verfliegt.

Was anmutet wie der letzte Schritt zur egozentrierten Hedonismusoffensive stressgeplagter Großstädter, ist Teil des Begleitprogramms zu einer bemerkenswert intelligent und kontrovers konzipierten Ausstellung. Gebaut von Friedrich Wilhelm IV im Jahre 1852, mit weitem Blick über das Land erhebt sich der Säulenbau des Belvedere mit seinen zwei Türmen über den Wald, über die Stadt. Im Inneren ein Wasserbecken, ein Rundweg, eine kleine Kammer. Deren Anmietung ist für Heiratszeremonien möglich. Das hilft beim Unterhalt des historischen Bauwerkes. Das Belvedere dient dem reinen Wohlgefallen. Geplant war ursprünglich, eine Wasserkaskade den Berg herunterplätschern zu lassen, ähnlich wie beim Steinhöfer Wasserfall in Kassel. Daraus wurde nichts: zu hohe Kosten, die Staatsfinanzen ohnehin schon lädiert. So entstand ein Schloss mit „schöner Aussicht“, das allerdings hinter seiner großspurigen Planung zurückblieb und nun pompös und zweckfrei auf dem Berg über Potsdam thront.

In dieser Weise sei das Belvedere auch ein Luft- und Lustschloss und passe gut zur Thematik der Ausstellung und zu der Performance, findet die Kuratorin Ellen Kobe. „Hochzeit ist immer eine private Vereinbarung, hat aber Bühnencharakter“, sagt Ellen Kobe. Ihre eigene Heirat vor einigen Jahren sei ein großes Fest gewesen und habe in großem Rahmen, ebenfalls in historischem Ambiente stattgefunden. Der Feier einen angemessenen Rahmen zu verleihen habe erheblichen Aufwand bedeutet. Ob daraus dann eine feste Burg oder eher ein zusammenstürzendes Phantasiegebilde werde, zeige sich erst im Nachhinein. „Liebe dich selbst, dann kannst du auch andere lieben“, sei die Kernaussage des feierlich inszenierten Sakralhappenings. Das Hochzeitszeremoniell solle hinterfragt werden.

Die Ausstellung bleibt nicht dabei stehen, das von Werbung, Medien und Hochglanzmagazinen verbreitete restaurative Bild der Hochzeit nachzubeten. Die Kunstwerke konterkarieren mit zeitgemäß pointierten Werken die propagierten Klischees. In einer Anzeige hat die serbische Künstlerin Tanja Ostojic im August 2000 einen „Ehemann mit EU Passport“ gesucht und sich dafür in KZ-Manier mit rasiertem Schädel fotografiert. Thema der Künstlerin in dieser und in anderen Aktionen ist die Kommerzialisierung des weiblichen Köpers in der EU. Auch andere Kunstwerke zeichnen ein recht nüchternes Bild der Heirat. Ellen Kobe selber erzählt die Geschichte einer Frau, die daran zerbricht, dass eine Heirat zwischen einem Katholiken und einer Protestantin nicht zustande kommt. Die Videos von Nezaket Ekici und Andreas Dammertz allerdings zeigen in „Wir heiraten“ und „Wir sind unterwegs“ das Bild einer fruchtbar wachsenden Zweiergemeinschaft.

Die differenzierte, zeitgemäße Sicht auf das Heiratsritual, das in allen Kulturen und zu allen Zeiten immer neue Inhalte transportiert und immer neue Formen hervorgebracht hat, erschließt sich allerdings nicht allen Besuchern. „Die Austellung ist sehr eklig, finde ich nackt“, „eine Beleidigung der Sinne“, steht im Ausstellungsbuch. Aber auch das Zitat: „Schöne Sachen“ und weiteres Lob findet sich. Wünschenswert wäre, dass der künstlerische Diskurs, den die Kuratorin Ellen Kobe eröffnet, an einer Stelle fortgesetzt wird, die der differenzierten Argumentation mehr Entfaltungsmöglichkeit bietet. Ellen Kobe führt regelmäßig durch die Ausstellung. Richard Rabensaat

Die Ausstellung ist noch bis zum 3. November zu sehen

Richard Rabensaat

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