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Von Klaus Büstrin: Herzensangelegenheit
Ganz und gar Russisch: Das Vorabendkonzert der Schlössernacht mit dem Tschaikowsky-Orchester Moskau
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Romantik pur. Das Vorabendkonzert der diesjährigen Potsdamer Schlössernacht vor der eindrucksvollen Kulisse des Neuen Palais hatte an traumhafter Atmosphäre viel zu bieten: Ein warmer Sommerabend, Mond und Sterne sowie Musik der Spätromantik, bei der Schwelgen erlaubt war. In diesem Jahr luden die Veranstalter das Tschaikowsky-Symphonieorchester Moskau für das Konzert ein, bei dem rund 5000 Zuschauer den weiten Platz der Mopke füllten.
Das 1930 als Großes Symphonieorchester des Moskauer Rundfunks gegründete Orchester erhielt vor 17 Jahren den Namen Tschaikowskys. Durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit bedeutenden Chef- und Gastdirigenten hat der Klangkörper internationales Renommee erlangt. Persönlichkeiten wie Alexander Orlow (der Gründer des Orchesters), Leopold Stokowski, Jewgeni Mrawinski, Gennadi Roshdestwenski, Lorin Maazel und Kurt Masur haben seine Entwicklung entscheidend geprägt. Sei 1974 ist Vladimir Fedosseyev Chefdirigent. Fedosseyev leitete auch das Vorabendkonzert in Potsdam. Er und seine Musiker präsentierten ein Programm mit Werken von Komponisten ihrer Heimat, bei der sie die russische Seele ganz und gar aufleuchten ließen, mit Spätromantik pur. Man spürte auch in diesem Konzert, dass sie vor allem mit Peter Tschaikowsky, aber auch mit Alexander Glasunow und Sergej Rachmaninow eng vertraut sind, dass es ihnen eine Herzensangelegenheit ist, mit ihren Interpretationen die Musik dieser Komponisten rund um den Globus zu tragen.
Es ist nicht so leicht, dem fast abgelutschten Sinfonie-Bonbon der Fünften von Tschaikowsky neue Farben und kräftige Geschmäcker zu extrahieren. Vladimir Fedosseyev bevorzugte in seiner Interpretation weitgehend eine epische Grundtendenz, die mit dem e-Moll-Dunkel des Stücks, das 1888 entstand, gut harmoniert. Der Dirigent verstand es, Tschaikowskys großartige Musik mit glühender Intensität und atmosphärischer Dichte vorzuführen, jedoch ohne dem Sinfonie-Bonbon einen erfrischenden oder neuartigen Geschmack zu verleihen.
Die Eingangstakte des ersten Satzes mit dem in der Klarinette vorgestellten Hauptthema wirkten gedehnt, bei der Durchführung zeigte sich, dass Fedosseyev seine bedächtigen Tempi beibehielt und auf einen massigen al fresco Stil setzte, bei dem er kaum einmal weniger als Mezzoforte spielen ließ. Zu den Schönsten seines Dirigats zählten die organisch aus dem musikalischen Fluss heraus phrasierten Steigerungsbögen, deren Wirkung er durch unaufdringliche Rubati noch verstärkte. Die Zuhörer waren von der Interpretation der Moskauer Gäste sehr bewegt und begeistert. Sie bedankten sich mit langanhaltendem Applaus.
Mehr Beifall hätte aber sicherlich der russische Ausnahme-Pianist Nikolai Lugansky verdient. Seine Wiedergabe der fantasievollen und mit lyrischen Gesangsintonationen bedachten Rhaspsodie über ein Thema von Paganini, die Sergej Rachmaninow 1934 in den USA schrieb, machte deutlich, wie unwiderstehlich der schlanke und elegante Klavierklang des jungen russischen Künstlers ist. Obwohl ihm sonst das Prunkvolle abgeht, musste er hierbei ein stählern strahlendes Melos herausfiltern, bei dem auch das Virtuose nicht zu kurz kam. Die Interpretation Luganskys, Fedosseyevs und des Tschaikowsky-Symphonieorchesters war trotz ihrer großen Dichte nie schwülstig-breit, sondern die einzelnen Stimmen wurden gut herausgearbeitet, was zu einer guten Durchhörbarkeit der verschiedenen Schichten der Partitur führte.
Satte-dunkle Klangfarben hatte auch das zu Beginn des Konzerts musizierte Lyrische Poem (1884/87) von Alexander Glasunow parat, das hin und wieder auch ein wenig süßlich wirkt. Das Moskauer Tschaikowsky-Orchester und sein Chefdirigent Vladimir Fedosseyev haben auch dieses kleine, aber feine Stück mit großer Liebe zu Gehör gebracht. Ein guter Einstieg in einen romantischen Konzertabend war somit gegeben.
Bei der Musikvermittlung durch Lautsprecher muss man an der Tonqualität fast immer Abstriche machen. In dieser Hinsicht ist vom diesjährigen Vorabendkonzert jedoch Positives zu berichten. Der Klang wie aus einer metallenen Gießkanne war glücklicherweise abgestellt. Er ist viel natürlicher geworden, obwohl eine gewisse Heiserkeit besonders bei den Streichern noch immer zu vernehmen war.
Aus dem Off kamen für die Untermalung des anschließenden farbkräftigen Feuerwerks so manch musikalische Bonbons. Doch dass man dafür unbedingt auch den vierten Satz aus Tschaikowskys 5. Sinfonie wählte, der gerade vorher auf der Bühne erklang, war ein Fauxpas. Die Moskauer Musiker staunten.
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