Kultur: Herzensmänner
Vier Maler – „Vier Winde“: Eine Ausstellung über Erotik und Liebeskummer „Im Güldenen Arm“
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Ingo Pehla kommt kaum zu Wort. Der kräftige große Mann mit dem schwarzen Zopf wird von dem schmächtigen Menno Veldhuis fast an die Wand gedrückt. Jedenfalls verbal. Der kann seinen Redeschwall nur schwer bremsen. Die Worte fallen aus ihm heraus wie bei einem Steinschlag. Eine zentnerschwere Last, die ihn monatelang zu Boden drückte, will abgetragen sein. Im Erzählen ebenso wie beim Malen, wo sich der Schmerz über die verlorene Liebe haltlos Bahn brach. Es knistert und brodelt noch immer in dem jungen Holländer, obwohl er dieses Kapitel eigentlich abschließen möchte. Aus Selbstschutz. Denn unerwiderte Liebe kann verbrennen, weiß Menno Veldhuis, der schon seit Jahren in Potsdam lebt und im Atelierhaus „Sandscholle“ arbeitet. Er weinte in den vergangenen Monaten bittere Tränen, wie er freimütig erzählt. Sie flossen in die Farben, die er in wildem Fluch und ungestillter Sehnsucht auf Zeitungsseiten auftrug: mit dem hundertfachen Gesicht seiner Angebeteten. Im dunklen blau-grünen Fluss der Melancholie liegt „Franka“ nun wie ein Porträt-Teppich in dem geduckten Raum ausgebreitet: in einer Ausstellung im „Güldenen Arm“.
„Vier Winde“ wehen dort Liebe und Erotik hinein, das Band, das die vier malenden Männer Sebastian Kommerell, Mikos Meininger und die zum Gespräch anwesenden Künstler Menno Veldhuis und Ingo Pehla verbindet.
Der in Berlin geborene Maler und Jazzpianist Sebastian Kommerell bringt mit leichtem Strich und doch voller Spannung Frauenakte aufs Papier, die an Henri Toulouse-Lautrec erinnern. Spärlich bekleidet mit zarten roten Strümpfen und hohen Pumps stellen die Porträtierten ihre weiblichen Reize selbstbewusst zur Schau, ohne sich anzubiedern. Die farbintensiven ungestümen Bilder von Mikos Meininger, der aus Jena stammt und im Potsdamer Atelierhaus „sans titre“ arbeitet, geben sich weitaus nachdenklicher, sind mehr Vermutung als schnelle Erkenntnis. Die Grenzen zwischen Figürlichem und Abstraktem sind fließend. Im heftigen Rhythmus und in satter Farbe eingegraben, schälen sich die Körper vage heraus: sinnlich und verletzlich.
Die vier Maler schätzen einander, ermutigen sich in der Arbeit, die oft an den Rand führt. Wie das Leben, exzessiv ausgeschritten, bis das Herz rast. Ingo Pehla fasst sich an die Brust. Er weiß, dass er kürzer treten muss. Doch er feiert gern wie im antiken Rom Bacchanalien, wilde Orgien mit Wein, Weib und Gesang. „Prost!“, heißt dann auch augenzwinkernd eines seiner farbintensiven Bilder, das das wüste Treiben brav in Öl bannt: mit Anspielung auf das Mannsein, wo sich Weinglas und Phallussymbol vereinen. Er setzt auf Kontraste: plakativ und direkt. Und auch die Architektur, die er einst studierte, aber schnell hinter sich ließ, scheint in der Räumlichkeit seiner Bilder weiter zu wirken.
Mit einem bürgerlichen Leben haben die Maler wenig am Hut. „Wenn man etabliert ist, lässt die künstlerische Kraft nach“, sagt Menno Veldhuis. Die Vier setzen auf Mut, Feuer und Zorn. Und kosten auch den Schmerz bis zur Selbstkasteiung aus. „Wir sind Egomanen, ruppig, untauglich fürs brave Leben“, sagte der aus der Uckermark stammende Ingo Pehla, der sich gern in Grenzbereichen bewegt und die Unrast braucht. „Ich ziehe wie ein Zigeuner umher, mal allein, mal zu zweit, dann wieder allein. Man verliebt sich, streitet sich, verliebt sich wieder neu. Aus mir selber schöpfen kann ich aber am besten allein.“ Und so hat den 44-Jährigen Familie nie besonders interessiert.
Ebenso wenig wie Menno Veldhuis, der die Reibeflächen braucht. Er spricht vom Van-Gogh-Syndrom. „Manchmal hat man die Schmerzen nötig.“ Diesmal kam es aber wohl doch zu heftig. „Es war wie eine Obsession, die ich loswerden musste, sonst hätte ich den Verstand verloren.“ Und so malte er jeden Tag aufs Neue seine „Franka“, stundenlang, rasend schnell auf Zeitungsseiten, auf denen hinter den Gesichtern noch Überschriften wie „Keine Apotheke in der Nähe“ oder „Rückkehr der Magie“ zu lesen sind. Wie im Tagebuch hielt er sie fest, die Verlorene: mal als Jeanne d’Arc, mal als Medusa, mal als Zirkusdirektorin. Er selbst zeigt sich nackt, als Voodoo-Puppe oder als Pieta, mit der gestorbenen Liebe im Arm. „Ich wollte meiner Liebsten romantisch zeigen: Du bist jeden Tag bei mir, natürlich in der Hoffnung, sie zurückzuerobern.“ Er musste aufpassen, dass nicht die Bilder die Kontrolle über ihn bekommen. Doch dieses ungestüme Ausleben des Liebeskummers hat ihm geholfen, jetzt normal weiter zu malen. Im Sinne der Ästhetik und natürlich auch im Sinne seiner Galeristin.
Doch was nutzt es, einfache Wege zu gehen, fragen sich die Männer und ermutigen sich gegenseitig, mitunter einfach draufloszumalen, ohne auf Formales zu achten. Ingo Pehla greift oft zu alten Katalogen, reißt Seiten heraus, lässt die Seele fließen, spontan, ohne zu wissen, wohin der Moment ihn treibt. Ausflüge aus dem Handgelenk, verdichtet zu Collagen aus dem dunklen Ich. Und schon ergreift Menno Veldhuis wieder das Wort und lenkt das Gespräch erneut mitten hinein in sein „Schmerzenskämmerlein“.
Die Ausstellung ist bis 4. August zu sehen: „Im Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Straße 3. Am 26. Juli, 16 Uhr, liest die Schauspielerin Blanche Kommerell, Mutter von Sebastian Kommerell, aus „Mein lieber blauer Reiter“
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