Kultur: Hier ist der Zaun König
Die Ausstellung „Zaunwelten“ im „Güldenen Arm“
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Die Ausstellung „Zaunwelten“ im „Güldenen Arm“ Es ist verblüffend. Beim Blick auf die verblichene DDR starrt man noch allzu häufig auf ein vier Meter hohes Bauwerk, genannt „die Mauer“, und verliert sich in oft fruchtlosen Beschreibungsversuchen dessen, was dahinter geschah. In der allerliebsten Ausstellung „Zaunwelten – Zäune und Zeitzeugen“, die Kulturland Brandenburg zusammen mit der URANIA der Stadt bis Ende Oktober dem Museumshaus „Zum Güldenen Arm“, Hermann-Elflein-Straße, schenkt, haben die beiden Macher Nicole Andries und Majken Rehder den Blick einfach gesenkt. Und siehe da, die östliche Ausprägung des Gartenzaunes, richtig geordnet und mit einfühlsamen Interviews versehen, erzählt großartig und unterhaltsam darüber, wie es wirklich gewesen ist. Der ostdeutsche Zaun unterscheidet sich offensichtlich von seinen westlichen Brüdern, deren bekanntester Vertreter, der gemeine Jägerzaun, bekanntlich in jedem Baumarkt zu kaufen war. Der Ostzaun wurde viel mehr geliebt als die „drüben da“. Immer wurde er selbst entworfen, immer war es eine Herausforderung, das Material zusammen zu bekommen, und immer wurde er eigenhändig zurecht geschweißt. Schließlich kam teure Farbe drauf in einer liebevollen, höchst eigenwilligen Kombination. Der eigene Zaun, so lernt man beim Rundgang, war nicht nur eine trennende Grenze, er war Symbol für Heimat. „Guck mal, wie schön unser Zaun ist!“, spricht eine der vorgestellten Besitzerinnen stolz, „Hier sind wir zuhause." Die Ausstellung überzeugt durch ihr einfaches Konzept: Besitzer und Zaunvariante werden in bestechend klaren Fotografien sowohl in Details als auch in der Totalen abgebildet. Etwa auf Zaunhöhe darunter befindet sich eine Texttafel, die auf die volkskünstlerischen Besonderheiten des jeweiligen Typs eingeht. Man lernt, welches Erfindungsreichtum hinter der staunenswerten ornamentalen Vielfalt steckt. Aber der Blick über den Gartenzaun und das Gespräch mit seinen Erbauern eröffnet auch eine Scholle Einblick in tiefe Erlebniswelten. Wie beschwerlich es war, ein Haus zu bauen, wie man es trotzdem geschafft hat und wie hilfsbereit diese Gesellschaft dabei gewesen war. Der Staat, der seit Anfang der siebziger Jahre seine Wohnungspolitik geändert hatte und nun den Bau von Eigenheimen unterstützte, legte den Häuslebauern zwar nahe, ihre Umgrenzung doch lieber aus Betonformsteinen zu bauen, denn Zement und Kies wären ja heimische Rohstoffe. Genutzt hat der Appell wenig. Nur der selbstgebastelte Zaun konnte die vielen Chiffren aufnehmen, mit denen die Eigentümer ihre Individualität auszudrücken gedachten, ob Papageienpärchen, Initialen, Sonnenuntergänge, Weintrauben oder die zeitlos beliebten Blumen. Zaunwelten, eine wunderschöne Zusammenschau von DDR-Alltagskultur, verdient eine Erweiterung durch eine Gegenüberstellung mit den Garten- und Vorstellungsgrenzen auf der anderen Seite der Mauer. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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