Kultur: Himmel und Hölle
Der Zeichner Friedrich Wilhelm IV. in einer Ausstellung in den Römischen Bädern in Potsdam
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Das Wort Genie in Versalien geschrieben. Damit wird es herausgehoben aus dem Satz: Unglaublich ist sein Genie fürs Zeichnen. Gemeint ist der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der älteste Sohn Friedrich Wilhelms III. und seiner Frau Luise. Kann man in der Landeshauptstadt, im Park Sanssouci und an anderen vielen Orten die architektonischen Neigungen und Begabungen des Kronprinzen und späteren Monarchen in Augenschein nehmen, so ist jetzt sein zeichnerisches Wirken explizit zu betrachten, nämlich in den Römischen Bädern, einem Bauensemble, an dessen Gestaltung er ebenfalls wesentlich beteiligt war. Der Titel der Ausstellung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten: „Unglaublich ist sein Genie fürs Zeichnen“.
In den vergangenen Jahren haben die Mitarbeiter der Graphischen Sammlungen immer wieder Zeichnungen oder Aquarelle aus dem künstlerischen Umfeld des Monarchen eindrucksvoll vorgestellt. Dass er in diesem Jahr selbst im Mittelpunkt einer Exposition steht, die in den drei Ausstellungsräumen des Gärtnerhauses der Römischen Bäder eher Kabinettcharakter trägt, soll auch zum Gedenken an seinen 150. Todestag, der bereits am 2. Januar war, einladen.
Auch am preußischen Hof war es üblich, den Prinzessinnen und Prinzen eine künstlerische Erziehung zu vermitteln. Kronprinz Friedrich Wilhelm war besonders in den bildenden Künsten begabt. Ihm standen hervorragende Lehrer zur Seite. Einer davon war Johann Peter Friedrich Ancillon. Er war der Meinung, dass „ein König auch ein großer Künstler seyn soll“. Nur unter diesem Gesichtspunkt könne man den Staat noch besser gestalten und prägen. Friedrich Wilhelm war nicht nur ein begabter Zeichner, ihm war auch die große Freude am eigenen Gestalten geschenkt, seine Gedanken, Erlebnisse und Erfahrungen aufs Papier zu bringen. Friedrich Delbrück, ebenfalls ein engagierter Erzieher des Kronprinzen, rühmte das Talent seines Schülers: „Unglaublich ist sein Genie fürs Zeichnen. Er wirft jeden Augenblick, wenn er frei ist, Zeichnungen aufs Papier; Entwürfe zu großen historischen Stücken, von Personen und Sachen, die er auf Reisen gesehen hat, von mythischen und allegorischen Gegenständen. Er malt selbst Himmel und Hölle; und sehr oft biblische Dinge.“
Mit dem Bleistift oder der Tuschefeder brachte Friedrich Wilhelm Erlebtes von klassischen Ideallandschaften aufs Papier, die er sich in die karge Mark Brandenburg erträumte. Natürlich auch Gelesenes aus der Bibel. Schließlich war er ein gläubiger Mann: „Ich und mein Haus, Wir wollen dem Herrn dienen“. Weltliteratur wie Dantes Göttliche Komödie, Shakespeare-Dramen oder Goethes „Erlkönig“ gehörten ebenfalls zu seinen zeichnerischen Interpretationen. Auch für seinen eigenen Roman „Die Königin von Borneo“, in dem er den Wunsch nach weltumspannender christlicher Erweckung Ausdruck verlieh, hat er Illustrationen geschaffen: exotisch anmutende Figuren und Landschaften. Zeitgeschichtliche Bedrohungen, die seiner Meinung nach auf das Christentum zielten, waren ebenfalls Gegenstand seiner Zeichnungen. Als „Satan finstre Heerscharen“ bezeichnete er 1813 Napoleons Armee, die Europa erobern wollten. In diesem Zusammenhang entstanden Bilder von der Sintflut und dem Weltgericht. Michael, der Erzengel des Rechts und der Gerechtigkeit, der Unterstützer und Erretter aus Gefahrensituationen, spielte bei dem Hohenzollernspross immer wieder eine Rolle. Auch seine romantisch-visionären Vorstellungen von Architekturen. Manche galten als maßlos und hinsichtlich ihrer realen Möglichkeiten als weit überzogen, die ausuferten und kaum Grenzen kannten. So zeigt die Ausstellung kronprinzliche Entwürfe einer Kirche auf dem Potsdamer Brauhausberg oder des Palastareals „Belriguardo“ auf dem Tornow. Teilweise konnten diese Vorhaben wegen knapper Kassen nicht verwirklicht werden. Andere baute man, sie blieben aber unvollendet. So das Triumphstraßenobjekt am Park Sanssouci mit dem Triumphtor gegenüber dem Obelisk-Eingang und der Orangerie. Jörg Meiner, der Kurator der historisch und künstlerisch bemerkenswerten Ausstellung, ist der Auffassung, dass man die Kunstgeschichte zur Zeit Friedrich Wilhelms IV. neu überdenken sollte. Vieles, was Schinkel, Persius oder Stüler entwarfen, entstammte ursprünglich aus der Zeichenfeder des Kronprinzen und Königs.
Architekt Friedrich August Stüler berichtete über die Zeichentätigkeit des Monarchen: „Bekanntlich zeichnete der König während gesellschaftlicher Unterhaltung in den Abendstunden, während des Vorlesens von Zeitungen oder leichterer Lectüre, ja sehr häufig während ernster Vorträge, ohne je den Faden zu verlieren und von der gründlichsten Behandlung der Vortragsgegenstände im Mindesten nachzulassen.“
Auch die Mahagoni-Platte eines runden Tisches musste sich die Tusch-Zeichenkünste des Königs gefallen lassen. Auf ihr findet man allerlei figürliche und architektonische Darstellungen. Jedoch konnte man die meisten von ihnen bisher noch nicht entschlüsseln. Der Tisch, heute Eigentum des Hauses Hohenzollern, war ein Geschenk des Kronprinzen an seine Schwester Charlotte, die den russischen Großfürsten und späteren Zaren Nikolaus I. heiratete.
Die in fünf Kapiteln strukturierte Ausstellung zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der rund 7300 Bilder aus dem künstlerischen Nachlass König Friedrich Wilhelms IV., die die Graphische Sammlung der Schlösserstiftung betreut. In den kommenden Jahren soll der Nachlass in einem Online-Katalog für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Bis zum 31. Juli in den Römischen Bädern, dienstags bis sonntags, 10-18 Uhr. Der Katalog kostet 19,90 Euro
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