Kultur: Hochzeit ohne Bräutigam
Hohenzollern in Skandinavien: Die Musikfestspiele Sanssouci 2013 widmen sich vom 7. bis 23. Juni den nordeuropäischen Ländern
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Die Sehnsucht nach dem Süden ist in Potsdam allenthalben spürbar. Sie nahm in der Bau- und Gartenkunst sichtbare Gestalt an. Dafür sorgten Preußens Könige, allen voran Friedrich Wilhelm IV. Der Norden Europas ist dagegen in der Havelstadt nur minimal vertreten, mit dem Nordischen Garten als Pendant zum Sizilianischen Garten, der Kaiserlichen Matrosenstation Kongsnaes am Jungfernsee oder mit der Christusfigur von Berthel Thorvaldsen an der Friedenskirche Sanssouci. Jedoch: „Skandinavien liegt Potsdam näher, als man denkt“, betonen die Veranstalter der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci und geben den nordischen Staaten vom 7. bis 23. Juni ein musikalisches Podium.
Skandinavien und Brandenburg-Preußen hatten in ihrer gemeinsamen Geschichte oft mit kriegerischen Auseinandersetzungen, mit Verträgen von Schutzbündnissen sowie mit dynastischen Beziehungen zu tun. Doch waren die landschaftlich reizvollen Länder Nordeuropas auch immer wieder das Reiseziel brandenburgischer Touristen. So auch Kaiser Wilhelms II. Von 1889 bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 brach der Monarch alljährlich mit seiner Jacht „Hohenzollern“ zur „Nordlandfahrt“ auf. Norwegen war für den Kaiser die Wiege der Germanen. „Es zieht mich mit magischen Fängen zu diesem Volke. Es ist das Volk, welches sich in stetem Kampfe mit den Elementen aus eigener Kraft durchgearbeitet hat, das Volk, welches in seinen Sagen und seiner Götterlehre stets die schönsten Tugenden, die Mannentreue und Königstreue, zum Ausdruck gebracht hat.“ König Oskar II. von Schweden, der auch norwegischer König war und von einem „germanisch-skandinavisch-italienischen Verbund“ träumte, war dem deutschen Kaiser sehr verbunden. Als die Norweger sich aus der Union mit Schweden loslösen wollten, empfahl Wilhelm seinem Kollegen Oskar, sich „in energischer Weise“ gegen solche Ideen zu wehren. Er meinte, man solle die Norweger durch eine Blockade ihrer Häfen „zur Räson“ bringen: „Stampfen Sie nur einmal ordentlich mit den Füßen, und sie werden in Norwegen Vernunft annehmen.“ Doch als Norwegen 1905 unabhängig wurde, besuchte Wilhelm II. den norwegischen König Haakon VII. als erster europäischer Herrscher. Haakon stammte aus dem Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Aus einer anderen Linie kam Auguste Victoria, die Frau des deutschen Kaisers. Damit war sie mit dem Norweger-König weitläufig verwandt. Wilhelm hatte aber nicht nur protzige Sprüche parat. Er gab auch den Norwegern, wenn es sein musste, alle erdenkliche Hilfe. Als beispielsweise 1904 die gesamte, aus hölzernen Bauten bestehende Innenstadt von Ålesund einem verheerenden Brand zum Opfer fiel und die meisten Bewohner kein Dach über dem Kopf hatten, organisierte der Kaiser weitreichende Hilfsaktionen. Zur Erinnerung an die Nordlandfahrten startet während des Musikfestivals am 8. Juni von der Schiffbauergasse die „MS Königswald“ zur Matrosenstation Kongsnaes und anschließend zur Heilandskirche Sacrow. Dabei gibt es ein Besichtigungs- und Konzertprogramm.
Jahrhunderte vor Wilhelm II. reisten bereits zwei Persönlichkeiten aus dem Haus Hohenzollern nach Skandinavien. Nicht als Besucherinnen, sondern sie zogen mit Sack und Pack nach Schweden. Denn dort warteten zwei Prinzen auf sie, die eines Tages Könige wurden. Die Prinzessinnen Maria Eleonore von Brandenburg (1599-1655) sowie Ulrike Luise von Preußen (1720-1782) wurden wegen ihrer Heirat mit Gustav II. Adolf beziehungsweise Adolf Friedrich Königinnen des skandinavischen Reiches.
Der Protestant Gustav II. Adolf von Schweden nahm eine Großmachtstellung in Nordeuropa ein, beteiligte sich als „Löwe aus dem Norden“ am Dreißigjährigen Krieg und fiel in der Schlacht bei Lützen. 1620 heiratete er die Tochter des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund, Maria Eleonore. In ihrer Biografie über die Tochter des schwedischen Herrscherpaares und späteren Königin Christine, die schließlich auf den Thron verzichtete und zum Katholizismus übertrat, charakterisierte die Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner Maria Eleonore: „Die Königinmutter schlief lange, putzte sich gern, liebte Schmuck und Spielereien und wurde mit den Jahren bigott.“ Christines Mutter, die in schwere Auseinandersetzungen mit dem leitenden Minister Oxistierna geriet, der ihr so manche Freiheit beschnitt, flüchtete 1640 heimlich nach Dänemark. Acht Jahre später kehrte sie nach Schweden zurück. Sigrid Grabner: „Seit ihrer Flucht galt die Königinmutter als Hochverräterin.“ Doch Christine war davon überzeugt, dass „es nicht nur königliches Vorrecht (sei), sondern auch ihre christliche Pflicht, Maria Eleonore zu verzeihen.“ Die Potsdamer Autorin wird aus ihrem Buch „Christine – Rebellin auf Schwedens Thron“ (Ullstein Verlag) während der Musikfestspiele am 9. Juni im Palais Lichtenau lesen.
Luise Ulrike von Preußen, die fünfte der sechs Schwestern Friedrichs des Großen, wurde 1744 mit dem schwedischen Kronprinzen Adolf Friedrich verheiratet. Die Hochzeit in Berlin fand ohne Bräutigam statt, denn die Reise für den Schweden von Stockholm in die preußische Residenzstadt wäre zu kostspielig geworden. Luise Ulrikes Bruder August Wilhelm vertrat während der Zeremonie den Bräutigam. Im Juli 1744 reiste sie in ihre neue Heimat. Auf Schloss Drottningholm wurde dann noch einmal richtig Hochzeit gefeiert. Der „Vater der schwedischen Musik“, Johan Helmich Roman, komponierte zu den Festlichkeiten die Suite „Drottningholmsmusiken“, die in Ausschnitten während der Musikfestspiele in einem Konzert am 15. Juni in der Friedenskirche erklingt.
Die kunstliebende Luise Ulrike brachte frischen Wind in die Stockholmer Residenz. Neue Kunstwerke wurden angekauft, Künstler und Gelehrte an den Hof geholt. Doch die Königin, die mit großem Machtstreben ausgestattet war, mischte sich in politische Angelegenheiten ein, bei denen sie sich viele Feinde machte. Auch zu ihrem Sohn, Gustav III., und zu ihrer Schwiegertochter Sophie Magdalene waren die Beziehungen alles andere als erfreulich. Ihren Enkel Gustav IV. verleumdete sie sogar als Bastard. Der wurde 1792 Opfer eines Attentats während eines Maskenballs.
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