Kultur: Homogenität wie im Kammerchor
Uwe-Eric Laufenberg inszeniert am Hans Otto Theater Tschechows „Die Möwe“ / Heute ist Premiere
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„Ich schreibe es nicht ohne innere Befriedigung, obwohl ich schrecklich gegen die Bedingungen der Bühne verstoße. Es ist eine Komödie mit drei weiblichen, sechs männlichen Rollen, vier Akten, einer Landschaft (Blick auf einen See); vielen Gesprächen über Literatur, wenig Handlung und fünf Pud Liebe“. Anton Tschechow schrieb diese Zeilen – seine Komödie „Die Möwe“ betreffend – in einem Brief. 1896 wurde das Stück des Schriftstellers und Arztes in St. Petersburg uraufgeführt. Es hatte keinen Erfolg.
Doch zwei Jahre später, nachdem Tschechow den Schauspieler, Regisseur und Leiter des Moskauer Künstlertheaters Konstantin Stanislawski kennenlernte, vertraute er ihm „Die Möwe“ für eine Aufführung an seiner Bühne an. Stanislawski ließ der neuen Dramenform des Autors eine adäquate Inszenierung zuteil werden. Alles Ungebärdige und Überbordende der früheren Stücke Tschechows wie „Iwanow“ und „Platonow“ sind hier nicht mehr zu finden, sondern die Geschichte wird mit großer Klarheit und atmosphärischer Dichte, aber immer mit Leidenschaft erzählt.
„Ja, in der ,Möwe“ hat der Dichter seine Form gefunden. Diese Komödie gehört zu den besten Theaterstücken überhaupt. Der Reichtum der Tschechow-Figuren, der Reichtum an Motiven, Stimmungen, Brüchen ist unvergleichlich“, sagt Uwe-Eric Laufenberg, Intendant des Hans Otto Theaters und intimer Kenner Tschechows. Er hat hat sich nun erstmalig der „Möwe“ in der Übersetzung von Thomas Brasch angenommen und inszenierte sie. In lebhafter Erinnerung ist noch seine Arbeit von „Onkel Wanja“ 2005/06 in der Sanssouci-Orangerie. Die konkreten und sinnlichen Vorgänge des Stücks wurden damals hinreißend dargestellt, so dass Publikum und Presse hellauf begeistert waren. In Linz hat er sich übrigens unlängst ebenfalls zwei Russen zugewandt. Puschkin und Tschaikowski. Er inszenierte die Oper „Eugen Onegin“.
„Anton Tschechow hat sich in der ,Möwe“ selbst auf die Bühne gebracht. Er reflektierte dabei seine eigene Schaffens- und Lebenskrise im Vorfeld revolutionärer Ereignisse.“ Über vertane Möglichkeiten, unerfüllte Wünsche und zerbrochene Illusionen sinnt die Gesellschaft nach, die sich auf einem Gut im Russland am Ausgang des 19. Jahrhunderts zusammenfindet. Aus Gedankenlosigkeit oder aus einer Laune heraus, zerstört sie oftmals das Leben anderer. Da ist Kostja, ein junger Schriftsteller, der seine schriftstellerische Form noch nicht gefunden hat. Dafür wird er von den Etablierten verspottet wird. Auch Nina wird das Opfer einer Laune, als sie in Liebe zu dem berühmten Dichter Trigorin entbrennt. Sie hofft auf ihre große Stunde als Schauspielerin in Moskau, aber sie wird von Trigorin verlassen und muss sich mit unbedeutenden Bühnen begnügen. Aber Nina hat die Kraft, aus Hoffnungslosigkeit und Resignation auszubrechen.
„Das Stück erfordert vor allem das Ensemblespiel. Es sollte dabei wie in einem Kammerchor sein. Homogenität ist gefragt, keinesfalls solistisches Ausbrechen aus dem Zusammenklang. Es erfordert eben höchste Schauspielkunst“, so Uwe-Eric Laufenberg. Mit Ulla Schlegelberger (Nina) sowie mit Markus Reymann (Kostja) und Michael Scherff (Trigorin) stehen drei Schauspieler auf der Bühne, die erstmals mit Laufenberg zusammengearbeitet haben. Die anderen Ensemblemitglieder sind mit der Arbeitsweise des Regisseurs längst vertraut, so Jennipher Antoni, Roland Kuchenbuch oder Christian Klischat. „Ich bin dankbar, dass wir Katharina Thalbach für die Rolle der Schauspielerin Arkadina gewinnen konnten. Es ist ihre dritte Rolle am Hans Otto Theater. Mit ihr ist es wunderbar zu arbeiten, weil sie nie divenhaft auftritt. Eine wunderbare Ensemblespielerin“, so Laufenberg. Gegenwärtig denkt man über eine weitere Tätigkeit der renommierten Berliner Schauspielerin und Regisseurin in Potsdam nach.
Premiere heute um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen: 19., 20. Oktober, 19.30 Uhr, 21. Oktober, 15 Uhr, Neues Theater
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