Einen radikalen Bruch mit der Tradition in Sachen Streichquartett gab es in der Romantik nicht, aber die Gattungskriterien begannen sich in dieser Zeit zu relativieren. In Frankreich stand wohl der hohe geistige Anspruch der Gattung nicht sehr im Vordergrund, sondern eher die Spielfreude und die Virtuosität, damit das Unterhaltsame. Effektvolle Harmonik und theatralisch orientierte Melodik waren aber nicht Sache des Komponisten Luigi Cherubini. Vielleicht war es seine Beschäftigung mit der Kirchenmusik, vielleicht sein angeborenes Gespür für den Kontrapunkt, dass er sich mit der bloßen Virtuosität, der bunten Themenreihung, der reinen Unterhaltungsaufgabe der modischen Pariser Quartette nicht zufrieden gab. So näherte er sich einerseits der anspruchsvollen Wiener Quartettform, würzte sie jedoch mit charakteristischem Sondergut, das seinen Werken eine spezifische Farbe verleiht, rhythmischer Energie und vielfältige Kontraste.
„Die Kleine Cammer-Music“ hat dies am Samstagabend während eines Konzerts in der Friedenskirche Sanssouci deutlich gemacht. Das Potsdamer Ensemble erweist sich immer wieder als flexibel, auch was die Auswahl und die Besetzung betrifft. Diesmal stand innerhalb der Konzertreihe „Harmonia Mundi – Musica Coelestis“ das Streichquartett im Mittelpunkt. Keine inhaltlose Aneinanderreihung von Werken hatte Primarius Wolfgang Hasleder ausgewählt, sondern unter dem Titel „Cherubini und das Streichquartett in Paris“ wurden musikalische und historische Zusammenhänge ins Spiel gebracht. Der Florentiner Luigi Cherubini, der jahrzehntelang in Paris lebte, war geprägt durch die historische Erfahrung der Französischen Revolution, des napoleonischen Kaiserreichs und schließlich der Restauration der Bourbonen.
Die Kleine Cammer-Musik“ mit Wolfgang Hasleder und Nadja Zwiener, beide Violine, Heinrich Kubitschek, Viola, und Kathrin Sutor, Violoncello, demonstrierte mit mitreißender Spielfreude, wie Cherubini die Brücke von der französischen Virtuosentradition zum klassischen Wiener Streichquartett schlug. Da war ein überzeugendes und ausdrucksstarkes Plädoyer für die Musik Cherubinis zu vernehmen. Dessen originelle Experimentierfreude und Klanglust hat das durchdachte und kultivierte Ensemblespiel schönste Hörfreuden garantiert, auch bei den Werken des Frühvollendeten Juan Crisostomo de Arriaga (er starb bereits mit 20 Jahren) und Felix Mendelssohn Bartholdy. Beide haben in Paris wichtige Anregungen für ihr kompositorisches Schaffen erhalten. Arriagas kontrastreiches Streichquartett Nr. 3, geschrieben mit 18 Jahren, haben die Instrumentalisten zu Beginn des Konzertabends mit vorwärts drängender Bewegung gespielt. Da spürte man die pulsierende Spannung der Klanglandschaft des „spanischen Mozart“ mit den Anklängen an Beethoven.
Wie die vier hellwachen Streicher es dann anstellten, aus dem a-Moll-Quartett von Mendelssohn fast eine Symphonie zu entwickeln, bleibt ihr Geheimnis. Auch dabei hinterließ das Ensemble verblüffende Impressionen, verlieh es dem ländlich-tänzerischen Motiv des Intermezzos charmante Beschaulichkeit, oder entwarf beim Presto ein ausdrucksstarkes Geschehen, das trotz Windeseile keine Undeutlichkeiten aufwies.
Herzlicher Beifall für ein anregendes Konzert. Klaus Büstrin
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