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Kultur: „Ich bin der Bestimmer in meinem Viereck“

Carsten Weitzmann ab heute in der Inter-Galerie

Carsten Weitzmann ab heute in der Inter-Galerie „Heil“ ist eines seiner Bilder provokant überschrieben. Darunter sieht man einen Mann, der sich um ein verletztes Kind kümmert. Eingebettet ist diese „Heilungs“-Szene in einen Text, der beschreibt, wie man einen kaputten Trabi-Kolben wechselt. Carsten Weitzmann sorgt, mit einem Augenzwinkern, für Irritation. Seine klar strukturierten, grafischen Bilder, die ab heute um 20 Uhr in der Inter-Galerie zu sehen sind, fragen: „Was heißt es für mich, Deutscher zu sein?“. Dabei möchte der Maler auch Worte, die von den Nazis „verbrannt“ wurden, auf ihren Gehalt zurück führen. Die germanischen Heldensagen klopft er ebenfalls auf Reibung ab, um sich über die Geschichte seines Deutschseins klarer zu werden. Denn allein mit Goethe und Schiller ist“s nicht getan. „Hinter uns liegen wunderbare und auch grausame Dinge. Ich sehe mich als Teil dieser deutschen Kultur, die sich nun durch die Globalisierung beginnt aufzulösen.“ Weitzmann bringt in seiner Ausstellung „Der Untergang des Abendlandes“ Kriemhild und Brunhilde mit ins Spiel. Brunhilde, bis unter die Zähne bewaffnet, erinnert im ersten Moment an die „Schwarzen Witwen“. Sie gibt sich selbstbewusst-kämpferisch, trägt in sich das Wissen um das Unheil dieser Welt. Kriemhild buhlt indes wie ein kleines süßes Häschen um die Gunst der Macht. Sie verkauft sich lieber – und kommt so vielleicht eher ans Ziel. Es sind die Fragen von Werten und Moral, die den Erfurter Künstler umtreiben. „Man muss sich ständig bewegen. Es gibt keine Eckpunkte mehr: außer vielleicht das Geld. Das klingt sehr nach Klage, ist aber nur eine Form von Verunsicherung, die ich mit vielen teile. Und diese Verunsicherung ist für mich auch kreatives Kapital.“ Nach der Wende habe er gedacht, dass es in dem neuen Land keine Reibung mehr geben würde. „Doch das war ein Trugschluss. Ich musste nur umdenken: Heute ist es einfacher, sich zu äußern, aber es hört keiner mehr zu. Man greift in Watte, wo man früher gegen Beton lief. Ich möchte mich nicht festlegen, was besser ist.“ Auf jeden Fall seien seine Bilder heute aggressiver. „In der DDR ist die Kunst gemütlicher und kleinteiliger gewesen, auch in den Gedanken. Der Thüringer spürte dies zur Genüge. Der Armee entging er nur, weil ihn eine befreundete Psychiaterin für verrückt erklärte. Doch ohne Armee gab es auch kein Studium. Also lernte er Steinmetz, suchte nach zwei Jahren immer wieder Gelegenheitsjobs. „Das Unerquicklichste war Kirchensteuereintreiber. Oft wurde ich von den Leuten weggejagt. Und da ich nach Prozenten bezahlt wurde, bekam ich mitunter nur 150 Mark. Das war selbst in der DDR zu wenig.“ Da war das Nachtpförtner-Leben am Theater schon ersprießlicher, wo er zeichnen und Klavier spielen konnte. 1983 erhielt er dann eine Anstellung als Gebrauchsgrafiker. Inzwischen lebt Weitzmann von der Kunst. Auch davon erzählen seine Bilder. In einer Western-Persiflage nimmt er die Verrohung des Kunstmarktes aufs Korn: „wo nur ein verkauftes Bild ein gutes Bild ist.“ Auch einige seiner Galeristen wollten ihm diese Schlinge um den Hals legen. New York, wo er voriges Jahr ausstellte, ließ seinen Kopf freier werden und ihn erkennen: „Ich bin der Bestimmer, was in meinem Bilder-Viereck passiert.“ Und das sind jetzt an die Popart angelehnte Schwarzweiß-Bilder, in die er Texte kontrapunktierend einfließen lässt. Sie sind schlagkräftige Ausrufezeichen, wobei die Text-Botschaften grafisch interessant sind, gelegentlich die Lesart aber zu sehr vorgeben. Heidi Jäger

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