Kultur: „Ich bin ein Gruppenmensch“
Der Potsdamer Tänzer Wolfgang Hoffmann von der fabrik mit „Aurora Nova“ in Edinburgh
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Der Potsdamer Tänzer Wolfgang Hoffmann von der fabrik mit „Aurora Nova“ in Edinburgh In knapp zwei Wochen gehen Sie wieder einmal auf Reisen, diesmal zum Edinburgh Fringe Festival. Wieviel Tage verbrachten Sie in diesem Jahr eigentlich zu Hause? Von Januar bis Mai waren es nur drei Wochen. Ab Mitte Mai, also zum Ende der Schwangerschaft meiner Frau, blieb ich dann aber in Potsdam. Inzwischen sind Sie stolzer Vater? Ja, am Sonntag wurde unser Sohn Noah geboren. Trotzdem gehts wieder auf Tour Ja, aber nur an zwei Wochenenden. Diesmal sind wir als fabrik nur mit der Technik und nicht mit einer eigenen Produktion vertreten. Aber ich bin ja auch künstlerischer Leiter der Veranstaltungsreihe Aurora Nova, die mit insgesamt neun Companien zu diesem weltgrößten Theatertreffen fährt. Sie haben Aurora Nova vor vier Jahren als eine „Solidargemeinschaft“ von Künstlergruppen mitbegründet, um auch nicht so namhaften Companien eine Chance einzuräumen. Ging das Konzept auf? Ja, sehr gut. Der Name wurde inzwischen zu einem Gütesiegel. Edinburgh ist recht kommerziell ausgerichtet. Das Festival gilt als eine Präsentation für internationale Produzenten. Um sich dort zu zeigen, muss man einen Haufen Geld in die Hand nehmen. Durch den Zusammenschluss in Aurora Nova ergeben sich für alle Companien sehr gute Konditionen. Wir bestreiten alles gemeinsam aus den Einnahmen: die Werbung, die Technik, die Raummiete und die Honorare. Durch dieses Füreinanderarbeiten haben sich unsere Einnahmen in jedem Jahr fast verdoppelt. 2003 verkauften wir Tickets für insgesamt 115000 Pfund. Zudem wurden die bei Aurora Nova gezeigten Produktionen mit vielen Kritikerpreisen bedacht. Die Namen der vom 6. bis 30. August in der Edinburgher St. Stephens-Kirche auftretenden Gruppen von Aurora Nova sind den Potsdamern zumeist gut bekannt: Teatr Novogo Fronta, Derevo, Zero Visibility, Song of the Goat Theatre, Theatre Slava, Black Hole Theatre Inzwischen ist ein großes Netzwerk entstanden. Es ist schon lustig: Als wir im Februar zu unserem Gastspiel in Australien anreisten, kamen sofort drei Gruppen und bekundeten ihr Interesse, ebenfalls bei Aurora Nova mitzumachen. Als künstlerischer Leiter entscheiden letztlich Sie über die Teilnahme. Wann haben Sie überhaupt noch Zeit auszuwählen? Da zahlt sich wiederum das Reisen aus. Wir sind als fabrik viel auf Festivals unterwegs und sehen dadurch auch die unterschiedlichsten Arbeiten. Machen die vielen Tourneen nicht auch müde und nehmen Kraft für neue eigene Stücke? Bei Tourneen ist der Kontakt zum Publikum ganz wichtig. Wenn man länger an einem Ort ist, lässt sich diese Nähe herstellen. In Sydney waren wir drei Wochen, da bekommt man eine Beziehung und ist gern dort. In Holland reisten wir indes von einem Stadttheater ins andere, alles war total anonym. Wir spielten, das Publikum klatschte, und als wir nach dem Umkleiden ins Foyer kamen, war es leergefegt. Da fragt man sich schon nach dem Sinn der Reise. Aber solche Touren werden wiederum gut bezahlt, und es ist natürlich wichtig, Einnahmen zu machen. Dennoch dürfen Stimmung und Gesundheit nicht leiden. Gibt es Konsequenzen aus dem zurückliegenden Tournee-Marathon? Für den Herbst hatten wir wieder sehr viele Angebote: Wir hätten nach Shanghai, Italien, Irland, England, Singapur, Frankreich fahren können. Am Ende entschieden wir uns für Singapur, Irland und Frankreich. Das sind fünf Wochen und damit eine machbare Größenordnung. Außerdem stehen ja auch noch neue Regiearbeiten in Potsdam für Sie an. Im September führe ich Regie für „Echo, Echo“, eine Produktion mit Nordirland und im Dezember übernehme ich die Endregie für ein Clownstück aus Philadelphia. Wie hat sich Ihre eigene Arbeit in den Jahren verändert? Ich bin ein Gruppenmensch und habe mich nicht auf einen Stil festgelegt. Ich strebe immer nach Neuem. Das ist auch die Qualität, die die fabrik auszeichnet. Manche empfinden das auch als Schwäche, wenn man sich mit Experimenten auf die Bühne wagt. Ihr jüngstes Stück „Pandora 88“ wurde nach der Potsdam-Premiere in den PNN kritisiert, inzwischen ist es vielfach preisgekrönt. Wir hätten Pandora gern auch 20 Mal in Potsdam gezeigt, aber nach dem Verriss war es eben nach vier Mal abgespielt. Wir wollen es dennoch im Oktober wieder hier zeigen und hoffen, dass wir das Haus voll bekommen. Leider können wir bislang noch kein Repertoire-Betrieb mit unseren eigenen Stücken bestreiten. Solche Präsenz wäre uns natürlich lieb. Dann müssten wir nicht mehr zum Publikum fahren, sondern es käme zu uns. Es ist schon erstaunlich, wie lange die fabrik so reibungslos funktioniert. In anderen Kunsteinrichtungen herrscht da oft ein ganz anderer Ton. Diese Homogenität ist sicher selten im Kunstbetrieb. Natürlich haben auch wir Unterschiede und Zwistigkeiten, aber es kam nicht zum Bruch. Sie wagten indes immer wieder neue Aufbrüche, wie eben mit Aurora Nova. Ja, ich bin schnell gelangweilt und brauche immer neue Aufgaben. Das Interview: führte Heidi Jäger
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