Kultur: „Ich bin nur Anreger“
Eindrücke vom 1. Potsdamer Meisterkurs für Pianisten mit Paul Badura-Skoda
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Treffen sich zwei Musikprofesoren in der Wiener Innenstadt und wollen über das Neueste plaudern. Sagt der eine zu dem anderen, nachdem er auf die Uhr geschaut hat: Warte bitte. In fünf Minuten bin ich wieder hier, dann hab ich eine Stunde Unterricht gegeben. Ein kleiner Witz, den der 82-jährige Paul Badura-Skoda zum Besten gibt. Natürlich wissen es die Eingeweihten, dass er sich für junge Talente immer genügend Zeit nimmt, mit ihnen intensiv arbeitet. Auch beim 1. Potsdamer Meisterkurs für Pianisten, der nach 66 Jahren drei Tage lang bis heute im Schloss Glienicke stattfindet. Badura-Skodas Potsdamer Kollege und Schüler, der Pianist Alexander Untschi, ist der Initiator und Veranstalter des Kurses. Er hat ihn Edwin Fischer gewidmet, der in den dreißiger und vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Marmorpalais im Neuen Garten zu den ständigen Klavierlehrern des damaligen Meisterkurses gehörte. Badura-Skoda war ebenfalls Schüler und Assistent von Fischer.
Acht Studenten aus Russland, der Ukraine, Südkorea, Israel und Deutschland findet man nun den ganzen Tag im Gartensaal des Schlosses. Sie folgen mit großer Aufmerksamkeit und Spannung den Ausführungen des Professors, wenn er sie beim Spiel unterbricht und ihnen Vorschläge für die Interpretation in puncto Klangfarben oder die Gestaltung einer größeren musikalischen Form unterbreitet. Immer freundlich und ermutigend, mit einem großen Wissen und viel Weisheit ausgestattet.
Zwei Steinway-Flügel stehen dem Kurs zur Verfügung. An dem einen sitzen die jungen Leute, die an verschiedenen deutschen Hochschulen studieren, vom anderen aus beobachtet Badura-Skoda sehr hellhörig das musikalische Geschehen, für das die Teilnehmer verantwortlich sind. Ausschließlich Werke des klassisch-romantischen Repertoires haben die Studierenden im Gepäck.
Am Mittwochvormittag arbeitet auch der jüngste Pianist des Kurses, der im Herbst in Hannover bei dem angesehenen Klavierdozenten Karl-Heinz Kämmerling sein Studium beginnt, mit dem Meister zusammen: der 19jährige Berliner Mario Häring. Seit dem vierten Lebensjahr sitzt er am Klavier und spielt mittlerweile die großen Werke der Musikliteratur. Und nun holt er sich bei dem renommierten Pianisten, der zu den Berühmtesten seiner Zunft gehört, Ratschläge. Er wählt für seinen Vortrag im Schloss Glienicke unter anderem die Partita Nr. 6 aus den Französischen Suiten von Johann Sebastian Bach. Er selbst, so Badura-Skoda, habe das Werk vor gut 50 Jahren auf dem Cembalo für die Schallplatte eingespielt. Augenzwinkernd meint er, dass er dafür den einzigen Preis als Pianist für eine Cembaloaufnahme erhielt.
Mario Häring spielt die Partita mit seinen jungen Jahren sehr souverän. Der Lehrer, der sich intensiv auch mit der historischen Musizierpraxis beschäftigt, weiß dies zu würdigen: „Einige Passagen sind sehr schön gestaltet. Doch bei Bach sollte man immer das Tempo strikt einhalten.“ Auch gibt Badura-Skoda zu bedenken, dass man sich vor zu vielen Schwankungen in der Lautstärke und vor Gleichförmigkeit in der Dynamik hüten solle. Auch bei den schnellen Sätzen wären zu viele Verzierungen kaum angebracht, am besten gar keine. Der Meister nimmt dem jungen Mann alle Scheu und weiß sich hervorragend in Wort und Musik verständlich zu machen. Kleine Exkurse in die Musikgeschichte gehören ebenfalls dazu. Mario Häring weiß die Anregungen des Lehrers sofort aufzunehmen. Doch der sagt: „Man sollte nicht alles genau so übernehmen, wie ich es zeige. Jeder muss zu seiner eigenen Interpretation finden.“
Badura-Skodas großes Anliegen ist es immer wieder gemeinsam mit den jungen Leuten herauszufinden, was hinter dem Notentext steht. Jeder müsse dies für sich selbst entdecken. „Ich kann immer nur Anreger sein“. Und verweist auf seinen Lehrer, den Pianisten Edwin Fischer, dem der 1. Potsdamer Meisterkurs gewidmet ist. Klaus Büstrin
Heute, um 19.30 Uhr, findet im Schloss Glienicke ein Konzert mit den Teilnehmern des Meisterkurses statt
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