
© Manfred Thomas
Kultur: „Ich habe das Licht ausgemacht“
Evelyn Carow erinnert sich an den Dreh von „Die Verfehlung“ – und die letzten Tage der DEFA
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An diesen Film denkt Evelyn Carow nicht gerne zurück. „Als wir gedreht haben, hatten viele Kollegen die Kündigung schon in der Tasche“, erinnert sich die 77-jährige Schnittmeisterin und Witwe von Regisseur Heiner Carow. In den zwölf Schneideräumen der DEFA-Studios saß sie am Ende ganz allein: „Ich habe das Licht ausgemacht im Schneidehaus.“
1992, drei Jahre nach dem Wendeherbst, feierte „Die Verfehlung“ von Heiner Carow Premiere. In welchem Kino, daran kann sich Evelyn Carow gar nicht mehr erinnern. In dieser Zeit hatte die Babelsbergerin, die DEFA-Klassiker wie „Spur der Steine“, „Die Legende von Paul und Paula“ oder „Solo Sunny“ geschnitten hat, andere Sorgen: Mehr als zwei Drittel der 2400 Beschäftigten der DEFA hatten 1992 ihren Job schon verloren. Mit dem französischen Mischkonzern und Wassermonopolisten CGE war zwar ein Investor auf den Plan getreten, der die Studios immerhin nicht nur als Lagerstätte für Waffen oder Medikamente nutzen wollte. Wie die Zukunft aussehen sollte, war trotzdem offen.
„Die Verfehlung“ zählt zu den letzten acht Filmen, die bei der DEFA gedreht wurden. Diesen Wende-Filmen widmet sich das Filmmuseum Potsdam am kommenden Dienstag in der zwölften Auflage der „Filmportraits“: Auszubildende des Studio Berlin Adlershof - Fernsehzentrum Babelsberg haben dafür Zeitzeugen wie Evelyn Carow, Peter Kahane, den Regisseur von „Die Architekten“, oder André Hennicke, Schauspieler in „Zwischen Pankow und Zehlendorf“, vor die Kamera gebeten und erzählen lassen. Entstanden sind fünf Kurzfilme mit Einblicken in die letzten Tage der DEFA.
Der turbulente Wende-Herbst, als die Künstler in Vollversammlungen über Reformen diskutiert hatten, war damals schnell einer lähmenden Stille gewichen. Keiner demonstrierte gegen den massiven Arbeitsplatzabbau in der Traumfabrik unter Führung der Treuhand, schreibt Bärbel Dalichow in „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“: „Die Aussonderung wurde als unabwendbares Schicksal hingenommen.“
In diese Zeit fallen die Dreharbeiten zu „Die Verfehlung“. Carow erzählt darin eine Liebesgeschichte in den ausgehenden 1980er Jahren: Im DDR-Braunkohle-Dorf Bubenau trifft Elisabeth, gespielt von Angelica Domröse, den Hamburger Hafenarbeiter Jacob (Gottfried John) und verliebt sich in ihn. Die beiden verloben sich, aber ihre Liebe scheitert, als Jacob abgeschoben wird und Elisabeth von ihrer Familie und der Dorfgesellschaft unter Druck gesetzt wird. Während der 750-Jahrfeier des Dorfes rächt sie sich mit einer Bluttat. Als Jacob nach der Öffnung der Grenze zu ihr zurück kommen will, sitzt sie im Gefängnis.Seltsam anachronistisch müssen die FDJ-Hemden und die roten Fahnen 1992 auf der Kinoleinwand gewirkt haben. Die passenden Requisiten zu finden, sei kein Problem gewesen, erzählt Evelyn Carow. Anders als viele Kollegen konnte sie nach dem Dreh weiterarbeiten: „Ich hatte Glück.“Was bleibt, ist Verwunderung: Darüber, dass man so lange mit dem DDR-System leben konnte. „Der Film ist gut zur Erinnerung“, sagt die Schnittmeisterin. Das Dorf Bubenau, hatte ihr Mann einmal im Interview erklärt, sei eine Metapher für die DDR: „Dass alles zerfällt, war für mich plötzlich sehr wichtig geworden.“ Für heutige Ohren klingt das auch nach einem Abgesang auf die DEFA-Zeit. Jana Haase
Die „Filmportraits“ laufen am 7. April 18 Uhr im Filmmuseum, Breite Straße. Eintritt: 5 Euro, für Azubis und Studenten frei.
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