Kultur: „Ich kann nicht ohne Dich!“
Lola-Preisträgerin Sabine Greunig beim gut besuchten Kino-Open-Air in der Alexandrowka
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Die türkisfarbene Strickjacke bietet notfalls auch Wärme für zwei. Wenn man wie Rudi und Trudi zusammengehört und daran gewöhnt ist, alles zu teilen. Aber Trudi trägt nicht nur diese gemütliche Alltagsjacke, sondern auch einen seidenen Kimono. Denn neben ihrem unaufgeregten, vertrauten Leben an der Seite von Rudi, träumt sie sich auch in ein anderes hinein: in das einer Butohtänzerin.
Wäre nicht die „Lola“ gewesen und das Gespräch vor der Vorstellung, sicher hätten die Zuschauer Jacke und Kimono eher beiläufig zur Kenntnis genommen. Doch Wissen schärft das Auge. Und so schaute das Publikum den Doris Dörrie-Film „Kirschblüten – Hanami“ auch immer mit dem besonderen Blick auf die Kleidung, für die die Potsdamer Kostümbildnerin Sabine Greunig den diesjährigen Deutschen Filmpreis erhielt.
Bevor sie unter nächtlichem Himmel in der Russischen Kolonie über die Filmarbeiten erzählen konnte, musste sie sich jedoch etwas in Geduld üben. Denn der Ansturm auf das Kino-Open-Air des Filmmuseums war am Samstag riesig: Halb Potsdam schien angeradelt zu sein. Und wer keinen Platz auf einen Stuhl ergattern konnte, machte es sich auf einer Decke im Museumsgarten bequem. Eben, um auch zu sehen, wie durch die Kleidung aus Hannelore Elsner und Elmar Wepper Trudi und Rudi wurden.
Eigentlich hat Sabine Greunig ein festes „Abo“ auf die Filme von Andreas Dresen. „Da gehst du einmal fremd, und schon gewinnst du einen Preis“, habe er nach der „Lola“-Verleihung anerkennend gescherzt. Schließlich ging sein eigener, vielfach nominierter Film „Sommer vorm Balkon“ ein Jahr zuvor leer aus. „Es gibt sehr viele gute Arbeiten, und Preise sind eher zufällig“, relativierte Sabine Greunig bescheiden ihre „Lola“ und ließ keinen Zweifel an der Qualität der Dresen-Filme, an denen sie allesamt mitgewirkt hat.
Aber das Drehbuch zu „Kirschblüten“ fand sie auch sehr gut, vor allem die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern. „Was bleibt davon im Alter, wenn die Kinder selbst erwachsen sind?“ Zudem sei sie ein großer Japan- und Butoh-Fan, der sie nicht zögern ließ, das Angebot anzunehmen. Die Zusammenarbeit mit Doris Dörrie sei aber schon anders gewesen als mit Andreas Dresen, „auch weil wir räumlich getrennt arbeiteten. Wir sprachen nur die Grundpfeiler ab, und dann habe ich die Figuren entwickelt, teils mit den Schauspielern gemeinsam.“ Doch als Andreas Dresen den Notruf sandte: „Ich kann nicht ohne Dich!“, verließ sie Japan prompt zwei Wochen früher. „Es war aber schon alles eingerichtet und die Figuren standen. So ließ mich die Regisseurin ziehen.“ Zu Dresens „Wolke 9“. Die türkisfarbene Strickjacke, die Sabine Greunig im Babelsberger Kostümfundus fand, hatte da bereits ihren festen dramaturgischen Platz. Sie umhüllte Rudi auch, als von Trudi nur noch die Seele blieb. H. Jäger
H. Jäger
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