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Kultur: „Ich will dich“ Berührender Film über

Hilde Domin im Thalia

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95 Jahre alt ist sie geworden. Hilde Domin, die bedeutendste deutsche Lyrikerin des 20. Jahrhunderts. Die junge Kölner Filmemacherin Anna Ditges findet eines Tages in einer Buchhandlung Gedichte von Hilde Domin. Sie faszinieren sie so sehr, dass sie beschließt, einen Film über die Dichterin zu drehen. Anna Ditges fragt bei ihr an und bekommt eine positive Antwort. Zwei Jahre lang beobachtet die Regisseurin und Kamerafrau die Grande Dame der deutschen Dichtkunst in ihrer Wohnung hoch über dem Neckar in Heidelberg, auch bei Ausflügen oder Lesungen. Anna Ditges findet bei Hilde Domin während der letzten Monate ihrer Dreharbeiten Unterkunft. Und so sind beide Tag und Nacht zusammen. Eine enge freundschaftliche Beziehung bahnt sich an, fast wird es eine innige Großmutter-Enkelin-Beziehung.

Nun hat Anna Ditges ihren Film „Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“ (Produktion punktfilm) im Thalia-Kino vorgestellt. Er ist für den Europa-Prix 2007 nominiert, der heute verliehen wird. Eine beeindruckende Biografie einer unkonventionellen Dichterin, deren Gedichte in 20 Sprachen übersetzt wurden, ist entstanden. Mit Offenheit und Herzlichkeit, trockenem Humor begegnet die alte Dame der Filmemacherin. Sie verweigert auch Auskünfte, wenn die Fragen ihr nicht recht sind. Zorn kommt bei ihr auf, wenn die Kamera zu dicht ihr Gesicht ins Visier nehmen will, obwohl die hellwachen Augen und die Alters-Falten es wunderschön machen. Im nächsten Augenblick hat sie nichts gegen die große Nähe der Kamera. Koketterie?

Zum 75. Geburtstag von Hilde Domin schreibt ihr der Dichter Erich Fried: „Ich sehe dich / zwischen den Buchstaben / deiner Verse / Deine Schönheit / ist aufgehoben / in ihnen / Sie erklären / dein Leben / und verklären / dein sich und dir / treu gebliebenes / altersschönes Gesicht“. Anna Ditges singt in ihrem Film ein bewegendes Hohelied auf die Schönheit des Alters.

Er gibt auch Einblick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Hilde Domin erzählt in der von keinen ausladenden Möbeln, doch mit wandhohen Regalen voller Bücher bevölkerten Wohnung anschaulich und temperamentvoll von ihrer Kindheit in Köln, von ihren jüdischen Eltern Eugen und Paula Löwenstein, über ihre große Liebe zu dem Archäologen und Philologen Erwin Walter Palm, der ihr Mann wurde, über die Zeit in Rom, das Exil in der Dominikanischen Republik (das Pseudonym Domin sollte an die Exilheimat erinnern) oder an den ersten Lyrikband im Jahre 1959 mit dem Titel „Nur eine Rose als Stütze“. Rosen scheinen ihre Lieblingsblumen gewesen zu sein. Überall sind sie in der Wohnung zu finden. Liebevoll ordnet sie die Blumen in der Vase vor dem Bild ihres Mannes. Der Besuch am Grab von Erwin Palm scheitert, weil sie es nicht mehr findet. Die Dichterin bekennt, dass sie die Ruhestätte nach der Beerdigung nicht mehr aufgesucht habe. Die Angst vor dem Tod? Die Rose für Walter steckt sie in irgendeinen Strauch am Wegesrand. Hilde Domin stirbt am 22. Februar 2006. Klaus Büstrin

Ab 8. November in den Kinos.

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