Kultur: „Ich wollt, ich wär ein Huhn“
Zum 100. Geburtstag: Ingrid Kreuder erzählt über das Leben mit Peter Kreuder, dem bekannten Komponisten und Pianisten. Sein Nachlass wird ab heute im Filmmuseum ausgestellt
Stand:
Zum 100. Geburtstag: Ingrid Kreuder erzählt über das Leben mit Peter Kreuder, dem bekannten Komponisten und Pianisten. Sein Nachlass wird ab heute im Filmmuseum ausgestellt Von Marion Hartig Eine fremde Welt für Ingrid Kreuder. Als ihr Mann sie zum ersten Mal mit auf das Schloss von Zarah Leander nach Schweden nahm, war sie recht unsicher. Traute sich nicht einmal die Kamera aus der Handtasche zu ziehen und alles rundherum festzuhalten, wie sie das sonst so gerne auf Reisen tat. „Ich hatte große Ehrfurcht“, erzählt sie heute. Das verlor sich aber am nächsten Morgen, als die große Schauspieldiva und Sängerin ihr zum Frühstück ein Wasserglas mit Aquavit anbot. Alkohol in der Früh, das kannte sie nicht. Sie nahm diesen Tag wie durch Nebel war. Die Frau des bekannten deutschen Komponisten und Pianisten Peter Kreuder (1905-1981) sitzt auf dem Sofa im Foyer eines Berliner Filmhotels. An den Wänden Kinoplakate. Scheinwerferlicht kreist durch den Raum. Mit Prominenten umzugehen, hat Ingrid Kreuder schnell gelernt, erzählt sie. 17 Jahre lebte sie mit ihrem Mann zusammen, in Salzburg und in München, wo er begraben wurde. Sie war seine vierte Frau. Nach Berlin ist sie u.a. gekommen, um bei der Eröffnung einer Ausstellung im Filmmuseum Potsdam dabei zu sein. Anlässlich des 100. Geburtstages des Komponisten zeigt das Haus Objekte aus dem Nachlass Kreuders, den die Witwe dem Museum vermacht hat. „Zuhause standen die Dokumente doch nur verpackt in Kartons im Keller herum.“ Zuhause, das ist für sie Massachusetts. Vor 18 Jahren zog sie in die USA. Als sie Peter Kreuder 1961 kennen lernte, sie war damals 19, hatte er viele der Filmhits, die ihn bekannt machten schon geschrieben: „Sag beim Abschied leise “servus““ (1936),„Ich wollt, ich wär ein Huhn“ (1936), „Good Bye, Johnny“(1939). Evergreens, die von Stars wie Johannes Heesters, Marika Rökk oder Hans Albers interpretiert wurden. Doch damit war die künstlerische Ideenwelt des Komponisten und auch leidenschaftlichen Jazz-Musikers noch lange nicht ausgeschöpft. Bis zu seinem Tod hinterließ er Musik zu 188 Spielfilmen, gab 4318 Konzerte in 39 Ländern und nahm 2315 Schallplatten auf. Er komponierte elf Musicals, eine Oper, fünf Operetten und sechs symphonische Werke. Zum ersten Mal sah Ingrid Kreuder ihren Mann im Fernsehen. Beim „Blauen Bock“ mit Otto Höpfner. Die ganze Familie saß schick gekleidet vor dem Gerät, sowie das damals üblich gewesen sei. Bei einer Zugfahrt ist sie dem Komponisten dann persönlich begegnet. Er gefiel ihr. Sie flirtete mit ihm, er lud sie in den Speisewagen ein, später in sein Hotel „Vier Jahreszeiten“ in München. Ihre Kolleginnen begleiteten sie bis vor die Tür, erinnert sie sich. Damals arbeitete sie als Referendarin im Amtsgericht München. Peter Kreuder habe oft über die Zeit im „Dritten Reich“ gesprochen, sagt sie. Er habe Probleme gehabt. In der Potsdamer Ausstellung sind originale Telegramme zu sehen, die dokumentieren, wie er von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt wurde. Als er 1937 mit seiner Freundin nach Kuba flüchten wollte, griffen NS-Soldaten ihn in Lissabon auf und drohten, Schwestern und Mutter ins KZ zu bringen, wenn er das Schiff besteige. Ein zweiter Exilversuch nach Schweden missglückte ebenfalls. Er wurde von den Nazis zurückgeholt, um wieder der deutschen Unterhaltungsindustrie zu dienen. Man schickte ihn nach Prag, wo er den letzten deutschen Spielfilm des „Reiches“ vertonte. Ihr Mann habe damals vor allem Musik für Lustspiele komponiert, sagt die Witwe. Er habe dabei verdrängt, dass die Filme für gute Stimmung an der Front sorgen sollten und nur versucht, das Drehbuch zu vertonen, wie es seine Aufgabe war. Ingrid Kreuder ist leicht erregt. „Das ist doch heute bei den amerikanischen Soldaten nicht anders“, sagt sie, wie zur Entschuldigung. Lieber erzählt sie die Geschichte von dem Hund, der unter dem Flügel saß, wenn ihr Mann komponierte. Er habe sich lang ausgestreckt, wenn ihm ein Lied gefiel. Wenn nicht, sei er nach draußen gerannt. „Hunde haben ein absolutes Gehör“, zitiert sie ihren Mann. So war sein Hund sein erster Kritiker. Mit sechs Jahren gab Kreuder in Köln sein erstes Mozartkonzert. Von der Klassik zum Schlager kam er wohl aus Trotz: „Er wollte sicher seinem Vater eins auswischen. Der Opernsänger verprasste sein Geld, anstatt es in die Familie einzubringen“, erzählt Ingrid Kreuder. Sie selbst teilte mit ihrem Mann den Genuss an Opern, an Mozart und Puccini. Filmmuseum, 21. Juli, 20 Uhr
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: