Kultur: Im Boot des Lebens
Harald Arnold liest heute „Adressat unbekannt“ und ist morgen der Noah „An der Arche um acht“
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Die Pinguine spielen die Hauptrolle. Alle drei wollen sie mit auf die Arche, sich vor der Sintflut retten. Doch es dürfen von jeder Art nur zwei das Boot des Lebens besteigen. So sagt es Noah. In dieser wichtigen, wenn auch kleinen Rolle des Auserwählten Gottes ist Harald Arnold ab morgen im Kinder- und Jugendtheater zu sehen. Er freut sich über dieses Angebot aus Potsdam, denn im eigenen, Brandenburger Haus ist die Arbeit dünn gesät. Drei Schauspieler sind nach der Umstrukturierung noch übrig geblieben. Die Zeit, dass er als einer der Protagonisten des Brandenburger Theaters (BT) querbeet in Tragödien, Komödien, Operetten oder Musicals so große Rollen spielen konnte wie den Higgins in „My fair Lady“ oder den Prospero in Shakespeares „Sturm“ scheinen erst einmal vorbei. „Doch das muss ja nicht so bleiben“, ist Harald Arnold zuversichtlich. Und solange spielt er kleine Rollen mit ebenso viel Herzblut. „Wichtig ist es doch, in einem Ensemble mitwirken zu können.“
Die Inszenierung „An der Arche um acht“ für Kinder ab sechs Jahren mache ihm jedenfalls viel Spaß: „Es ist ein sehr heiteres Stück, das viele Fragen aufgreift: Gibt es Gott wirklich? Wo ist er, wenn wir ihn nicht sehen? Wie sieht er aus? Ist er gut oder böse? Dinge, die Kinder interessieren und hier in dem Stück von Ulrich Hub in einer spannenden Verwicklungsgeschichte verpackt sind.“ Ob und wie die drei Pinguine die 40-tägige Reise auf der Arche überstehen, will er natürlich noch nicht verraten. Auf jeden Fall wird er seine zehnjährige Enkeltochter mit auf diesen Ausflug in biblische Vorzeiten nehmen, die bis ins Heute weisen.
Doch bevor sich morgen um 10 Uhr der Premierenvorhang in der Reithalle A öffnet, ist Harald Arnold noch an einem anderen Ort und mit einer ganz anders gearteten Erzählung in Potsdam zu erleben. Gemeinsam mit Klaus Büstrin liest er heute um 19. 30 Uhr in der Versöhnungskapelle (Ausstellung zur Garnisonkirche in der Breiten Straße) das bewegende Buch „Adressat unbekannt“ von Kressmann Taylor. „Ein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes literarisches Meisterwerk. Wir haben es schon häufig im Brandenburger Theater vor allem vor Schulklassen gelesen und zumeist waren die jungen Leute sehr ergriffen.“ Erzählt werde, wie sich die enge Freundschaft zwischen einem amerikanischen Juden und einem Deutschen durch den heraufziehenden Faschismus verändert, bis sie kaputt geht. „Das ist aufregend und erregend, bestürzend und erschreckend. Und man fragt sich selbst, wie hätte ich mich verhalten. Es ist heute leicht zu sagen, ich wäre ein Held gewesen.“ Für Harald Arnold ist diese Brieferzählung von 1938 von großer Aktualität, denn sie thematisiere den latenten Faschismus, nach dem Motto: ,Ich habe nichts gegen Dich, aber geh weg, Du störst mich!““
Für ihn sei es wichtig, dass das Theater gerade für Jugendliche vielfältige Angebote bereit halte. Da reiche es nicht, wenn seine Kollegin Christiane Ziehl mit Kindern und Jugendlichen sehr erfolgreich arbeite. „Was total toll ist. Aber es ersetzt nicht ein kontinuierlich arbeitendes Berufstheater. Wir haben in Brandenburg eher das Angebot eines Kreiskulturhauses, das vor allem Ältere anspricht.“ Das BT sei durch den Verbund ja auf das Musiktheater reduziert worden, aber selbst dafür reiche der Etat kaum aus. „Potsdam macht es besser. Die Stadt leistet sich wenigstens noch ein Ensemble.“
Obwohl die Herausforderungen am Brandenburger Theater für ihn inzwischen eher selten sind, renne er nicht schimpfend und schreiend durchs Haus. „Wem nutzt das?“ Aber wenn er, wie im vergangenen Jahr, den Herrn Schultz in „Cabaret“ spielen darf, ist das natürlich Balsam für die Seele. Harald Arnold tut sich auch anderswo um. Nicht nur in Potsdam, wo er schon in verschiedenen Inszenierungen mitwirkte und im „Prinz von Homburg“ wieder zu sehen ist. Er fährt auch nach Schwäbisch-Hall zu den Freilichtspielen, um beispielsweise den Gerichtsrat Walter im „Zerbrochenen Krug“ auf die Bühne zu bringen oder den Burleigh in „Maria Stuart“.
Und dann gibt es immer wieder Lesungen: In Gärten, im Brandenburger Dom und jetzt in der Versöhnungskapelle: „Aus Literatur, die eine sprachliche Qualität besitzt.“ Wie Kressmann Taylors „Adressat unbekannt“. Seine besondere Zuneigung gehört jedoch immer wieder Thomas Mann. Doch für Harald Arnold beschränkt sich Leben nicht allein auf Theater, es gibt die Familie, das Haus in Götz, das Klavierspielen – ganz für sich allein. Und auch in Museen zieht es ihn immer wieder gemeinsam mit seiner Frau.
Seit 1979 ist der gebürtige Leipziger am Brandenburger Theater engagiert. Wenn im Herbst das 185-jährige Bestehen der Bühne gefeiert wird, ist er sicher mit einem weinenden und einem lachenden Auge dabei. Und hoffentlich auch auf der Bühne zu sehen. Es darf durchaus eine größere Rolle sein.
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