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Kultur: Im Galawagen zur Kaiserkrönung
Der sechste Bestandskatalog der Schlösserstiftung widmet sich Kutschen, Schlitten und Sänften
Stand:
Das höfische Leben mit all seiner Kostspieligkeit gehörte nicht unbedingt in das persönliche Ermessen des jeweiligen Herrschers, es gehörte zwingend zum Herrschaftsverständnis. Auch der vergleichsweise sparsame preußische König Friedrich Wilhelm I. hielt entsprechend Hof. Ein Zeitgenosse formulierte diese Pflicht zur Repräsentation im Jahr 1733 wie folgt: „Der gemeine Mann kann sich nicht allein recht vorstellen, was die Majestät des Königs ist, aber durch die Dinge, so in die Augen fallen und seine übrigen Sinne rühren, bekommt er einen klaren Begriff von seiner Majestät, Macht und Gewalt.“
Im Gegensatz zu ehemaligen fürstlichen Sammlungen der Kutschen, Sänften und Schlitten in Europa ist diejenige der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg relativ klein. Die unterschiedlichen Zeitläufe, das Ende der Monarchie 1918 oder der Zweite Weltkrieg, haben Verluste der ehemaligen Marstallsammlung des preußischen Herrscherhauses zugefügt. Die Stiftung verfügt heute nur noch über einen Restbestand, der in einer Ausstellung im Schloss Paretz präsentiert wird. Die Potsdamer Kunsthistorikerin und Stiftungs-Kustodin Claudia Meckel hat den Fuhrpark nun wissenschaftlich aufgearbeitet und die Ergebnisse in einem Bestandskatalog zusammengefasst. Der Berliner Akademie Verlag übernahm wie schon bei den anderen fünf Bänden über die Kunstsammlungen der Stiftung (Gemälde, Skulpturen, Angewandte Kunst, Grafische Sammlung und Kupferstichbandsammlung) die editorische Verantwortung.
Claudia Meckel gibt in ihrem ambitionierten Text einen spannenden und lesenswerten Einblick in einen Komplex, der dem heutigen Besucher der Preußen-Schlösser weniger bekannt sein dürfte. Natürlich wurde auch der Katalog mit historischen und aktuellen Fotografien illustriert, auch mit zahlreichen Grafiken, die besonders das künstlerische Detail einzelner Gefährte eindrucksvoll dokumentieren. Gemäldewiedergaben bilden die Atmosphäre von königlichen Repräsentationsgebaren und -verpflichtungen ab. Bildnerische Vergleiche von Kutschen, Sänften und Schlitten anderer königlicher Sammlungen erhöhen den Reiz für die Betrachtung.
Zur Zeit des prachtliebenden Königs Friedrich I. wurde der Bau von Kutschen und Sänften sehr gefördert. Man sagte, dass sein Marstall zu den „schönsten und best versehensten in Europa“ gehörte. Sein Sohn Friedrich Wilhelm I. erschien auf Exzerzierplätzen oftmals hoch zu Ross, für Stadtfahrten war ihm eine offene Chaise gut genug. Natürlich hatte auch die Familie das Recht, Wagen zu benutzen. Im Jahre 1718, so wird berichtet, standen für die Ausfahrten der Königin Sophie Dorothea „ein paar schlechte Kutschen mit sechs alten Pferden bespannt“ zur Verfügung. Der ansonsten so sparsame Monarch bestellte aber 1718 in Holland eine neue „Carosse de Parade“ mit Geschirren für acht Pferde. Doch der König erkannte, dass mit der Förderung des Wagenbaus, der Gewerbeentwicklung sowie des Kunsthandwerks in Berlin der Wirtschaft ein guter Dienst erwiesen werden könnte. Also wurden in der Residenzstadt Wagenbauer angesiedelt. Besonders zu den gesellschaftlichen Höhepunkten wie Hochzeiten von Mitgliedern der königlichen Familie wurden neue Kutschen gebaut. Friedrich der Große hat nach dem Sieg Preußens im Zweiten Schlesischen Krieg 1745 seine Macht auch in der Repräsentation ausgebaut. Ein neues Staatskarossen-Coupé wurde in Auftrag gegeben, das durch seine kostbaren Schnitzereien sowie Gold- und Silberstickereien viel Aufsehen erregte. 1786, im Todesjahr des Königs, zählte man 78 Kutschen in den Marstallgebäuden. Königliche Macht, von der auch äußerer Glanz ausstrahlen sollte, repräsentierte der neue Staatswagen, den König Friedrich Wilhelm II. bei dem Wagenbauer Ginzrot in Straßburg im Elsass 1788/89 bauen ließ. Ein Jahr später fand die Krönung des römisch-deutschen Kaisers Leopold II. in Frankfurt am Main statt. Zu diesem Anlass erschien der preußische Monarch mit dieser prachtvollen Kutsche, auf dem seine Herrschaftssymbole weithin sichtbar waren. Die Wagen, die Friedrich Wilhelm III. nach dem Tode seines Vaters vorfand, wiesen teilweise Sicherheitsmängel auf. Der Oberstallmeister von Lindenau bemerkte 1798: „Bey den vielen ehrenden Herrschaften und Cavaliers gebricht es dergestalt an schicklichen Wagens “ Mit einer Kabinettsorder reagierte der König auf den schlechten Zustand des Fuhrparks. Angeordnet wurde eine strengere Kontrolle bei der Wartung und vor allem der Vorschrift, wer und wann einen Wagen benutzen darf. Im Jahre 1802 wurden 36 Kutschen repariert und 16 neue Wagen in Auftrag gegeben. 1805 gab es die ersten Kutschenlaternen, die mit Öl versorgt wurden. Spätere Könige und ihre Familien benutzten gern auch die Kutschen ihrer Vorgänger. So fuhren Prinzessin Cecilie von Mecklenburg-Strelitz und Kronprinz Friedrich Wilhelm zu ihrer Hochzeit 1905 im berühmten Staatswagen Friedrich Wilhelms II. Kaiser Wilhelm II. verfügte jedoch über den größten Fuhrpark mit rund 400 Gala- und Hofwagen. Doch die moderne Technik zog auch unter seiner Herrschaft ein: das Automobil.
Die eleganten, oftmals zierlich gestalteten Sänften, auch als Tragestuhl bezeichnet, waren im 18. Jahrhundert vor allem adligen Damen vorbehalten. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts hat man sie noch in Berlin und in Potsdam benutzt. Die zumeist kunstvoll gestalteten Schlitten waren im Winter ein beliebtes Fortbewegungsmittel und Vergnügungs-Gefährt. Von all dem, aber auch von Geschirren und Reitzeugen, von der Geschichte der Rüstkammer bis zum Marstall- und Hohenzollernmuseum in Berlin, berichtet Claudia Meckel in ihrem höchst kenntnisreichen Buch.
Claudia Meckel: Kutschen, Schlitten, Sänften, Akademie Verlag Berlin, 128 Euro
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