zum Hauptinhalt

Kultur: Im Kino gewesen, geknutscht

Filmklassiker vorgestellt: „Die letzte Vorstellung“ im Filmmuseum / Von Birgit Acar

Stand:

Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum gehegt und gepflegt. Das heißt, die vielfältigen Dokumente, Kostüme, Technik, Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Und natürlich kommen cineastische Kostbarkeiten zur Aufführung. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellen wir heute „Die letzte Vorstellung“ vor.

Die erste Einstellung zeigt ein Kino, das Royal in Anarene, einer fiktiven Kleinstadt in Texas. Die Kamera schwenkt über die verlassene Hauptstraße, durch die ein Sandsturm weht. Tumbleweed. So ähnlich könnte auch ein Western beginnen. Die Schwarz-Weiß-Bilder versetzen uns in das Jahr 1951. In den USA wird das Kino durch das Fernsehen verdrängt. Das Land befindet sich im Koreakrieg. Bogdanovich erzählt aus der Perspektive seines jugendlichen Protagonisten Sonny (Timothy Bottoms). Es ist sein letztes Highschool-Jahr. Sonnys bester Freund, der Möchtegern-Macho Duane (Jeff Bridges), geht mit der schönen Jacy (Cybill Shepherd), in die auch Sonny verliebt ist. Mit der eigenen Freundin wird er bald Schluss machen. Das wird schon beim Knutschen im Kino klar, wenn Sonny lieber über die Schulter des Mädchens hinweg auf die Leinwand schaut.

Für die Jugendlichen in Anarene funktioniert das Kino immerhin als sozialer Ort, während die Alten zu Hause vor dem Fernseher abstumpfen und vereinsamen. Wahre Liebe findet nur in der Erinnerung und im Kino statt. Mit Sam, dem Kinobesitzer, stirbt bald auch der letzte Hoffnungsträger, Sonnys Vaterfigur, und das Royal ist endgültig dem Verfall preisgegeben.

Fast zerbricht auch die Freundschaft von Sonny und Duane – sowie die leidenschaftliche Affäre von Sonny zur weitaus älteren Ruth – an der sie kalt gegeneinander ausspielenden Jacy. Doch bevor Duane als Soldat nach Korea geht, sind Sonny und er noch einmal zusammen im Kino. In der letzten Vorstellung, bevor das Kino schließt, sehen sie sich Howard Hawks’ Western „Red River“ (USA 1951) an. Die euphorische Aufbruchsstimmung der eingeblendeten Szene steht im Kontrast zu den Schicksalen der Freunde: Der eine wird es nicht schaffen, das Kaff zu verlassen, der andere kommt vielleicht nicht mehr lebend dorthin zurück.

Als der Low-Budget-Film ohne Starbesetzung 1971 Bogdanovichs Durchbruch bei Kritik und Publikum markiert, steckt das gesamte Land in einer sozialen Krise. US-amerikanische Soldaten kämpfen in Vietnam, Hollywood steht am Rande des Ruins, es herrscht der größte Publikumsschwund seit Jahren. Im Zeitkolorit der 1950er diagnostiziert „Die letzte Vorstellung“ den Verfall der Gemeinschaft und des von Hollywood propagierten American Dream gleich für die Gegenwart mit. Nicht nostalgisch verklärend, sondern sorgenvoll-traurig schaut Bogdanovich auf das Treiben einer ihren Weg suchenden Generation, auf ihr sexuelles Sehnen, ihre Desillusionierung und Verlorenheit. Immer wieder scheinen aber auch Humor und Romantik auf, selbst wenn es um Verlust und Abschied geht – von Menschen, von der Zeit der Jugend und der des klassischen Hollywood-Kinos. Mit dessen Vätern, wie John Ford und Howard Hawks, hatte sich Bogdanovich als Filmkritiker auseinandergesetzt. Er und andere Filmemacher des New Hollywood thematisierten in ihren Filmen den Untergang des klassischen Kinos der großen Hollywood-Studios und verneigten sich zugleich vor ihm – sowie vor dem Kinoerlebnis an sich. Mit einer neuen Filmsprache gelang es ihnen, das wiederzubeleben, was James Stewart einst (in einem Interview mit Bogdanovich) als das Großartige am Kino beschrieben hat: Es gebe uns Stücke von Zeit, die man unter Umständen nie mehr vergisst.

Birgit Acar ist Mitarbeiterin im Filmmuseum Potsdam

„Die letzte Vorstellung“ ist am am 19. um 14.45 Uhr und 20. März um 20 Uhr im Filmmuseum in der Breiten Straße 1A/Marstall zu sehen. Ab 22. März sind Kino und Ausstellungen im Marstall wegen dringender Brandschutzbauarbeiten bis voraussichtlich April 2014 geschlossen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })