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Kultur: Im Kopf des Santiago Román

Im Thalia Kino: Der peruanische Film „Dias de Santiago“ erzählt von einem Ex-Soldaten und das Leben im Allgemeinen

Stand:

Als würde man in seinem Kopf sitzen. Wie bei „Being John Malkovich“. Man meint plötzlich zu wissen, was Santiago fühlt und denkt, meint zu verstehen, warum er plötzlich mit der Faust auf den Tisch donnert, warum er wie ein Gehetzter durch die Straßen läuft und in seinem Kopf die überall lauernden Feinde zusammenschlägt: Irgendwann später wird aus seinem Gedankenspiel ernst. Doch auch das nimmt man ihm nicht wirklich übel.

90 internationale Festivals, 35 Auszeichnungen: „Dias de Santiago“, das Spielfilmdebüt von Josué Méndez, soll der erfolgreichste peruanische Film aller Zeiten sein. Nach Hamburg und Berlin ist er nun im Thalia Kino zu sehen.

Wenn man sich nicht davon abschrecken lässt, dass der Streifen keine leichte Kost ist – er erzählt von einem ehemaligen Soldaten, der an der Grenze zu Equador gekämpft und getötet hat, und nun nach einem Ort zum Sein sucht – stößt man auf einen unbedingt sehenswerten Film, der im Gedächtnis bleibt. Josué Méndez kehrt nicht nur außergewöhnlich einfühlsam die Innenwelt des Santiago nach außen. Ihm gelingt es dazu ein Stück weit näher an das Leben und den Menschen an sich heranzukommen. Sein Film besitzt so etwas wie eine allgemeine Gültigkeit.

Eigentlich ist Santiago ein netter Kerl und ein viel besserer Mensch, als die anderen. Er ist nicht wie sein Bruder, der seine Frau schlägt und säuft, oder wie die üblen, rücksichtslosen Typen auf der Straße. Santiago meint, was er sagt. Und er sucht das wahre Glück. Er will ein neues Leben, mit seiner Frau. Er fährt Taxi, geht zur Uni. Doch dann der tote Freund, der Streit mit ihr, der Kühlschrank, den er nicht bezahlen kann. Beim Militär musste er sich nur an Regeln halten, marschieren, schießen. Das war einfacher. In seiner Stadt muss er ständig beobachten, analysieren, reagieren, um zu überleben. Denkt er. Spricht seine Stimme aus dem Off.

Immer wieder lässt der Regisseur ihn durch die Straßen ziehen. Durch enge Gassen, in denen die Wäsche aus den Fenstern hängt, durch breite Straßen mit gepflegtem Rasen, durch den Hochhausglasbau der Uni. In bunten Bildern, wenn alles okay ist und das Leben so weiter laufen kann. In Schwarzweiß, wenn die Vergangenheit sich in sein Denken drängt und das Heute zur Hölle werden lässt.

Ganz dicht zoomt die Kamera auf das Gesicht des Ex-Soldaten. Man hört, was er denkt, sieht, was er sieht. Die Mutter, die ihm Rat gibt, die Frau, die antwortet auf Fragen, die er nicht gestellt hat. Niemand, dem er vertraut, den er in seine Welt lässt. Verletzt vom Leben steht er zum Schluss wieder am Anfang. Marion Hartig

Kino Thalia, heute 17.15 Uhr

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