Kultur: Im Neonlicht der neuen Gegenwart Drei Neon-Reale in Galerie am Neuen Palais
Der sozialistische Realismus sollte das Schöne im Land DDR betonen. Die meisten Künstler aber setzten eher auf Wahrheit.
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Der sozialistische Realismus sollte das Schöne im Land DDR betonen. Die meisten Künstler aber setzten eher auf Wahrheit. Anfang der achtziger Jahre gründeten die beiden Maler Harald K. Schulze und Clemens Gröszer sowie der Bildhauer Rolf Biebl die Gruppe „neon-real“, um ein bisschen mehr Moderne ins Land zu bekommen. Ihre sozialkritische Strömung betont alles, was kritisierenswert scheint, stellt „die Realität“ krass und leidenschaftslos dar, auch wenn es mitunter peinlich anmutet.
Die Drei verloren sich schließlich aus den Augen. Unter dem programmatischen Titel „Neon-Remember“ kann man sie nun in der Galerie Am Neuen Palais wieder gemeinsam sehen – im Neonlicht der neuen Gegenwart.
Mehrfach schon präsentierte der Galerist Jürgen Oswald „Erotische Kunst“. Auch diesmal begegnet man allerlei Akte, so von Clemens Gröszer, meist in Mischtechnik gemalt, aber auch als Lithographie oder Radierung. Pia, Monique oder Tatjana sehen auf den Bildern nicht gerade blendend aus. Was da „verlebt" erscheint, rückt der gebürtige Berliner in den Blick des Betrachters: neben zugeschminkten oder absichtsvoll maskierten Gesichtern sind es die erotischen Gegenden. Ihnen widmet der Maler besonders viel Mühe. Anti-Pornographie, könnte man sagen.
Natürlich werden hier „soziale Botschaften“ aus der Großstadt transportiert. Auch ein „Höllensturz“ ist dabei. In „Reunion Abendmahl“ macht sich ein Trupp Herren über eine Frau her, die mittig von oben nach unten auf einem Tableau liegt – „Tischdame“ lässt sich auch so übersetzen.
Harald Schulze malte in eucharistischer Manier ein ähnliches Bild, das Triptychon „Conspiration Party“ mit dem greisen Leonardo da Vinci im Zentrum. In seiner Gesellschaft Dürer und Dali, Cranach und van Gogh. Es gibt noch freie Plätze... Schulze ist in dieser Schau wohl der Surrealist. Wie Gröszer zitiert auch er die halbe Kunstgeschichte. Aber er schneidet und verfremdet seine Motive, bis eigene Kompositionen entstehen. Seine Melancholia muss zuschauen, wie eine Maschine Genome produziert, während Jungradler Honecker mit Karl Lagerfeld in ein Bild von Magritte verbannt werden. Geflügelte Engel ohne Gesichter, kristalline Landschaften, von veristischen Gegenwartsfiguren im Neonlicht belebt, oder von Bildzitaten der Kunstgeschichte. Die „Poetic Stills“ wirken wie ein ästhetischer Wegweiser, doch Schulzes Sicht auf die Lebewelt ist nicht appetitlicher als die seines Kollegen.
Skulpturen aus Bronze und Marmor, groß oder klein, vollendet oder als Torsi – sie sind auch bei Rolf Biebl so proportioniert, wie er sie braucht. Was wichtig ist, wird betont (ein Langbein hat lange Beine, der Denker eine gewaltige Stirn), Unwichtiges gar nicht erst aus dem griechischen Stein herausgearbeitet.
So hat man eine sehr wichtige Exposition vor Augen, selten schön, aber wahr, und von dreien kreiert, die man bestenfalls falsche Pornographen nennen kann.
Gerold Paul
Bis zum 5. April, Galerie am Neuen Palais, Am Neuen Palais 2A, Freitag bis Sonntag 13 -18 Uhr.
Gerold Paul
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