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Von Klaus Büstrin: Im Privaten

Dieter Mammels neue Bilder, derzeit im Kunsthaus Potsdam zu sehen, können auch manchmal verstören

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Es ist nicht schwer, in dem Porträtreigen Pina Bausch und Nina Hoss zu erkennen. Die künstlerische Arbeit haben die Choreographin und die Schauspielerin auch in ihren Gesichtszügen geprägt. Auf den hochformatigen, extrem lang gestreckten Bildern des renommierten Berliner Malers Dieter Mammel wollen sie ganz privat sein. Und „Privacy“ nennt auch der Künstler seine neue Ausstellung, die innerhalb des Zyklus „Blueberry Cycle“ entstand. Das Kunsthaus Potsdam zeigt sie nun und überrascht dabei wieder mit einer inspirierenden Schau.

Nina Hoss, die facettenreich ihre schauspielerischen Mittel einzusetzen vermag, wirkt hier auf dem Bild als eine Träumende und zugleich als eine, die sich von der Umwelt für kurze Zeit distanzieren möchte. Wie hinter einem Gazevorhang schaut sie gedankenverloren in die Welt. Die langen Haare verdecken teilweise ihr Gesicht. Einfach nur ein Mal privat sein, abgeschottet von der Öffentlichkeit heißt wohl hier ihre Devise.

Auch Pina Bausch, die bedeutende Choreographin unserer Zeit, ist eine Träumende. Sie, die ganz streng ihre dunklen Haare ihres schlanken Kopfes nach hinten gekämmt hat, hält die sonst melancholischen Augen geschlossen. Sie ist in sich gekehrt, träumt sich so in die faszinierende Welt des Tanzes hinein. Nur der lange und gebogene Körper wirkt etwas seltsam, fast könnte man meinen, er ist krank, nicht mehr durchtrainiert. Kopf und Körper wollen sich nicht vereinen, da fehlt es dem Ganzen an Harmonie. Die Choreographin war aber immer auf diese Einheit bedacht. Das Bild entstand im vergangenen Jahr. Am 30. Juni 2009 ist Pina Bausch überraschend gestorben. In Memoriam könnte man nun über das Porträt schreiben. Schräg gegenüber vom stillen Bild der Tänzerin macht ein Bild auf sich aufmerksam, auf dem ein Kind Schreckliches erlebt hat, vielleicht in Albträumen. Die weit aufgerissenen Augen und das von Entsetzen verzerrte Gesicht geben dem Titel des holzschnittartigen Bildes „Kleine Angst“ aber nicht unbedingt recht.

„Jetzt erst kann ich Menschen malen, die auf sich selbst zurückfallen. Mich interessiert mittlerweile nicht so sehr, wie sich ein Mensch bewegt, sondern was ihn bewegt“, sagte der 1965 in Reutlingen geborene Dieter Mammel, der mittlerweile zu den wichtigsten deutschen Künstlern gehört, der weltweit seine Bilder in Ausstellungen zeigt.

Es gibt eine liebenswerte Anekdote über einen Umschwung in Mammels Schaffen, die immer wieder erzählt wird. Ausschließlich Landschaften und Häuser zeigten noch vor knapp zehn Jahren seine Bilder. Eine alte Dame, die berühmte Malerin Louise Bourgeois, besuchte eines Tages die Ausstellung des Künstlers in New York. Sie fragte, wo denn auf den Bildern die Menschen seien. Mammel entgegnete ihr, in all den Häusern, da sei seine Familie. Die große alte Dame ließ den jungen Mann stehen und sagte nur drei Worte: Open the door (Öffnen Sie die Tür).Dieter Mammel ging in sich und beherzigte ihren Rat: „Ich flog nach Berlin zurück, öffnete die Türen der Häuser und ließ die Familie raus.“

Von nun an entstand ausschließlich nur Figuratives. Partner, Verwandte oder Freunde hat er Nass in Nass monochrom in Aquarell und Tusche auf die ungrundierte Leinwand gemalt. Diese Technik ist stets auf ein schnelles und präzises Arbeiten bedacht. Korrekturen gibt es dabei nicht. Manchmal zerfließen auch die Farben. Dann wirken die Bilder so, als ob über sie ein Schleier gehängt ist.

Vor Jahren entstanden die Familienbilder in Grün. Dann gab es die glühenden „Magenta Lovers“. Im Kunsthaus zeigt er nun mit „Privacy“ seine blaue Periode. Blau ist die Farbe, die die Ferne symbolisiert. Und eine manchmal unwirklich träumerische Welt verbirgt sich hinter den Porträtierten, die von Dieter Mammel gezeigt werden, Menschen mit all den Spannungen und Entspannungen, die das Leben bereithält, Menschen mit den großen und gedämpften Emotionen. Auch verstören manchmal diese Bilder, nimmt man sie in Gedanken, vielleicht auch in Träumen mit.

Die Ausstellung ist bis zum 23. August, im Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9, mittwochs bis freitags, 15 bis 18 Uhr, samstags und sonntags, 12 bis 17 Uhr geöffnet

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