Kultur: Im Tango-Rausch
Die Argentinierin Elena Gatti zeigt ab heute in der Sperl Galerie ihre Tanzbilder
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Tango macht süchtig und ist Therapie zugleich. Körper, Seele und Geist fließen zusammen: hinein in die Musik, in die Bewegung des Partners. Jeder Schritt eine Überraschung, ein erotisches Spiel. Elena Gattis Bilder tauchen ein in diese flirrende Welt der Gefühle und Leidenschaft. Männer und Frauen verschmelzen zu einem glühenden Ring, der sich davon bewegt, aus dem Alltag heraus.
Die Bilder, die ab heute in der Sperl Galerie zu sehen sind, leben von der Ahnung, vom Rhythmus der Musik. Beine schmiegen sich aufreizend aneinander, Arme umschlingen sich. Nicht auf die Gesichter richtet sich das Augenmerk, sondern auf die bis ins Detail ausbalancierte Körperhaltung. Man sieht die hochhackigen roten High Heels, die stolz das Parkett beschreiten, die entblößten rosigen Arme der Frau in den Fängen männlicher Kraft und Inspiration. Doch man spürt auch das Geben und Nehmen, das Aufeinanderangewiesensein. Zwei Körper lassen im Takt des Bandonéon eine Harmonie entstehen.
Elena Gatti weiß, wovon sie malt: Sie ist selbst dem Tanz erlegen. Eine späte Liebe, wie die Argentinierin erzählt. Erst jetzt, da sie längst nicht mehr in ihrer Heimat lebt, wurde sie bei einem Besuch der Familie von diesem Tanz der Improvisation und Konzentration übermannt. Seit zwei Jahren malt sie nun fast ausschließlich an ihren vielschichtigen, mal melancholischen, dann wieder heiter sprühenden Bildern, in denen selbst das Grau und Schwarz zu leuchten beginnen.
Seit dem die Künstlerin ihr Land 1979 verließ, weil sie nicht mehr unter der Diktatur leben konnte, hat sich ihre Malerei sehr verändert. „Damals habe ich nur politisch gemalt: aggressive Bilder mit Frauen, die nach ihren verschwundenen Söhnen schrien.“ Kunst, die nicht gemocht wurde. Elena Gatti floh vor der Zensur nach Barcelona und mit der politischen Offenheit und dem milden, transparenten spanischen Licht floss auch in ihre Bilder die mediterrane Leichtigkeit.
Als sie sich beim Trampen durch Griechenland in einen Deutschen verliebte, zog sie nach einer einjährigen intensiven Briefbeziehung zu ihm nach Berlin. „Eine sehr spannende Zeit, gerade durch die politischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West.“ Aber auch die Emanzipation der Frauen, die sie aus ihrer Heimat so nicht kannte, faszinierte sie. Doch was fehlte, war die Sonne, und so malte sie immer wieder Grau in Grau. Nach sechs Jahren verließ Elena Gatti Berlin und zog mit Mann und der damals dreijährigen Tochter wieder hin zum Licht: nach Mallorca. „Ein Platz, wo wir gut leben und arbeiten können.“ Inzwischen wohnen sie 17 Jahre in Palma, und ihre Stillleben und figurativen Arbeiten erzählen von einer anregenden, lebensprallen Zeit. Meist deutet sie auch auf diesen Bildern nur an, formuliert nicht aus. Und doch verweben sich Strukturen und Farben zu einem atmosphärisch dichten Stoff. Man spürt die Seele der Künstlerin, die mitten drin ist in ihrer aufregenden Farbwelt, wie im Rausch des Tangos. „Ich versuche zu verstehen, was die Idee dieses Tanzes ist, wie man die Bewegungen umsetzen kann.“
Und so hört sie beim Arbeiten die Musik, lässt sich von ihr tragen und folgt den eigenen Impulsen. Doch es ist ein langer Weg, bis die Leichtigkeit, der Schwung, von dem der Betrachter später so fasziniert ist, auch auf die Leinwand gebannt ist. Elena Gatti nimmt sich die Zeit. So wie das Erlernen des Tangos ein langer Weg ist, will dieser Tanz auch malerisch bezwungen sein.
Gern schwebt man nun in dieser Ausstellung mit Elena Gatti gemeinsam über den Boden der Sinnlichkeit und hört die aufreizenden Klänge ihrer Bilder.
Zur heutigen Eröffnung um 19 Uhr spricht Kabarettist Martin Buchholz. Zu sehen ist die Ausstellung bis 1. Juni in der Mittelstraße 30, Mi bis So, 12 bis 18 Uhr.
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