Kultur: Im üppigen Grün
Bilder von einer lebendigen Mitte: Otto Heinrichs Potsdam-Gemälde im Museum in der Benkertstraße
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Es scheint ein schöner Tag zu sein. Die Arbeit ist getan. Die riesigen Bottiche lehnen geleert und geschrubbt an den Bäumen, der Fisch hat seine Käufer gefunden. Einige Frauen und Männer scheuern noch ihre Kähne. Andere haben schon Zeit für ein Schwätzchen. Der Maler Otto Heinrich tupft mitten hinein ins Leben. Seine Bilder führen zurück in das alte Potsdam, als der Fischmarkt und Pferdekutschen den Takt bestimmen und üppiges Grün das Stadtbild beherrscht. Der Himmel hat kaum eine Chance, das dichte Blätterdach zu durchdringen, das sich im Kanal flirrend spiegelt.
Das Potsdam-Museum lädt anlässlich des 40. Todestages von Otto Heinrich zu einer kleinen Ausstellung ein, in der ein wenig Nostalgie mitschwingt. Gern versinkt man in der Stimmungsmalerei, lauscht dem Puls vergangener Zeit. Alles verläuft gemächlich. So auch am Wilhelmsplatz, wo anno 1942 an einem lichten Sonnentag Familien flanieren und einen Plausch halten. Ein kleiner Junge mit Matrosenmütze hält stolz einen roten Luftballon. Viele Details sind zu entdecken, auch wenn sie nur angedeutet sind. Otto Heinrich verliert sich nicht im naturalistischen Kleinklein, er bevorzugt den großen Strich, das Expressive des Moments. Dafür zog der Maler sommers wie winters mit seiner Staffelei hinaus in die Natur. Obwohl sicher mit starrer, eisiger Hand gemalt, atmen auch seine Winterbilder Lebendigkeit, wie „Die Berliner Brücke“ von 1933. Kinder ziehen sich gegenseitig auf den Schlitten, während Erwachsene ihre Schirme den feuchten Schneeflocken entgegenhalten. Ein Mann trägt huckepack einen dicken Sack, vielleicht mit Holzscheiten gefüllt, für etwas Wärme in der Stube. Man lässt sich gern einspinnen von den gemalten Geschichten, von dem Rhythmus des Alltags, dem Spiel von Licht und Schatten. Und es flammt auch etwas Wehmut auf, wenn man beispielsweise die Breite Straße im Winter 1940 vor sich sieht. Selbst in der kargen Jahreszeit und ohne Blattschmuck wirkt die Straße dazumal einladender und wohnlicher als heute zur prächtigen Sommerzeit.
Studienreisen führten den gebürtigen Berliner, der nach der Ausbildung zum Theatermaler und dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin 1920 nach Potsdam zog, quer durch Deutschland und auch an die Seine. Zu der Zeit musste er den Pinsel schon mit der linken Hand führen. Die rechte zersplitterte auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges. Sein „Paris im Regen“ von 1926 zeigt sich baumlos und düster. Menschen mit schwarzen Schirmen vereinen sich wie zu einem Trauermarsch.
Zu den 600 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Skizzen, die die Stadt Potsdam 1968 aus dem Nachlass des Künstlers kaufte und dem Potsdam-Museums übergab, befindet sich auch die „Zerstörte Havelkolonnade“ von 1945. Die einst so stattlichen Säulen liegen zerbombt auf einem Schuttberg. Eine der Säulen trotzte dem Vernichtungswahn. Sie ragt angeschlagen, aber unbezwungen gen Himmel. Wie ein Ausrufezeichen!
Die meisten Bilder Otto Heinrichs erzählen von der unverwundeten Stadtmitte. Sie gehören gezeigt, gerade jetzt – und nicht nur im Potsdam-Museum.
Die gestern Abend eröffnete Ausstellung „Potsdam, aber bitte mehr Mitte“ des Forums Bildende Kunst in der Galerie Samtleben, die zeitgenössische Künstler wie Peter Rohn, Wolfgang Liebert oder Barbara Raetsch vereint, holte sich auch Otto Heinrich an die Seite. Denn der Blick zurück schärft den Sinn fürs Heute.
Die Ausstellung im Potsdam-Museum, Benkertstraße, ist bis 22. April zu sehen.
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