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Von Heidi Jäger: Im Vakuum

T-Werk sieht seine Arbeit gefährdet/ Ministerium vertröstet auf Februar/ Schub für Theaterpädagogik

Stand:

Sie befinden sich in einem Vakuum oder besser in einem Raum der Verzweiflung, der jede Planung unmöglich macht. Verfolgt man weiter die engagierten Projekte, mit der Gefahr, sich zu verschulden oder verharrt man in der Erstarrung, bis die Eisschollen im Kulturministerium geschmolzen sind?

Die T-Werker sind ratlos. Und sie stehen damit nicht allein. Allen freien Theatergruppen – ebenso wie „fabrik“, Waschhaus, Musikschulen, Kulturfeste oder Kulturland Brandenburg – seien die Hände gebunden, sagte Jens-Uwe Sprengel gestern auf einem Pressegespräch. Er wisse nicht einmal, ob sein Verein überhaupt mit Geld rechnen könne. Dass der Haushalt meist erst im Sommer beschlossen wird, sei durchaus nicht neu. Doch gab es bislang die Praxis, dass Abschläge gezahlt wurden, so dass auch im Januar bereits ein Arbeiten möglich war. Doch diese „Verpflichtungsermächtigungen“ fehlen in diesem Jahr – begründet im Regierungswechsel.

Über 50 freie Träger gibt es, die vom Kulturministerium Zuwendungen erhalten, die Hälfe ausschließlich von dort. „Diese 26 brennenden Fälle erhielten per 6. Januar Bescheid, dass sie ihre Mittel für das erste Halbjahr ausgereicht bekommen. Ohne Kürzung“, sagte Antje Grabley, Pressesprecherin des Kulturministeriums, auf PNN-Nachfrage. Die anderen, die auch von der Stadt Geld beziehen oder über Drittmittel verfügen, müssten sich noch etwas gedulden. Heute spreche zwar der Finanzminister mit der Kulturministerin. Doch erst Anfang Februar gibt es ein Kabinettsgespräch zum Haushalt und danach – voraussichtlich auch im Februar – den Kabinettsbeschluss. „Danach kennen wir unseren Etat. Vorher dürfen wir keinerlei Verpflichtung eingehen. Sobald wir Planungssicherheit haben, denken wir natürlich sofort an die freien Träger. Wir können niemanden bis zum Sommer warten lassen“, betont Antje Grabley.

Das T-Werk in der Schiffbauergasse wurde bislang mit 200 000 Euro von der Stadt und 100 000 Euro vom Land gefördert. Und in dieser Größenordnung hat der Verein auch in diesem Jahr seinen Haushaltsantrag gestellt, um die Betriebskosten stemmen zu können. Auf keinen Fall werde das T-Werk Schulden aufnehmen, wie andere Kultureinrichtungen, sagte Sprengel. Doch wie sollen Miete und Gehälter bezahlt werden? Rücklagen dürfe es nicht geben, schließlich sei der Verein gemeinnützig. Und die von der Stadt kommenden Mittel reichen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken.

Sprengel machte das Desaster an einem Beispiel deutlich: So sei das Theaterstück „Frühlings Erwachen“, das am 19. Februar Premiere haben soll, ein ausfinanziertes Projekt. „Doch wenn wir das Haus zumachen müssen, weil wir es nicht bewirtschaften können, ist auch das Projekt gestorben. Also müssten wir das Geld dafür zurückzahlen. Und schon würde die Schuldenfalle zuklappen.“

Nicht nur das T-Werk, das 2009 rund 22000 Besucher hatte, hofft auf Stetigkeit in der Finanzierung, argwöhnt aber mit einem Rückfall in die Unsicherheit der Anfangsjahre. Erst seit 2008 waren die sechs Planstellen ausfinanziert: eine Anerkennung für die Arbeit des Vereins, der mit seinen Theaterangeboten für Kinder und Erwachsene und dem Internationalen Festival Unidram einen wichtigen Stellenwert in der Stadt und darüberhinaus einnimmt. Wie auch mit seinem theaterpädagogischen Engagement, das jetzt in einem EU-Projekt münden könnte, wenn die Arbeit des Hauses nicht insgesamt wegbricht.

Die Weichen für dieses Programm wurden noch unter der alten Landesregierung gestellt. Es ist auf zwei Jahre angelegt und wird von der EU mit 70 000 Euro finanziert, einschließlich einem Eigenanteil von 20 000 Euro. „Kompetenzentwicklung in Kunst und Kultur“ ist die Überschrift und besagt, dass das T-Werk seine längst ausgewiesenen theaterpädagogischen Fähigkeiten einem immer größeren Kreis von Interessenten anbietet. Was für den Verein auch eine zusätzliche Einnahmequelle bedeuten würde.

Schon jetzt gibt es Workshops für Lehrer und Lehramtsstudenten. Die an der Universität Potsdam im Fachbereich Mathematik/Didaktik tätige wissenschaftliche Mitarbeiterin Ekaterina Kaganova hat ein Pilotprojekt zur Entwicklung „Unterrichtlicher Präsenz“ für Studierende angeregt, das 2009 in drei Workshops mündete. „Wir wollten unsere Studenten mit Übungen auf ihr Schulpraktikum vorbereiten und dies nicht am Schreibtisch tun.“ Ekaterina Kaganova, die die Arbeit vom T-Werk durch ihr früheres Dolmetschen bei Unidram kannte, wusste, dass Theater viel mit Körpersprache und Gruppendynamik zu tun hat. Genau das, was auch künftige Lehrer brauchen. „Für manche war es auch unangenehm zu spüren, wie sie auf andere wirken. Aber es ist besser, sie erkennen das im Vorfeld, als wenn sie es vor Schülern merken“, so Jens-Uwe Sprengel, der die Workshops leitet. Mit Konsequenz und Klarheit Positionen durchsetzen, darum gehe es sowohl bei Schauspielern auf der Bühne als auch bei Lehrern vor der Klasse. Selbst wenn man nicht der charismatische Typ sei, müsse man authentisch sein. „Oft trügt auch der erste Blick“, so Sprengel, „besitzen ,graue Mäuse’ mitunter mehr Kraft als charismatische Typen, die zugespitzten Situationen ausweichen. Manchen fällt es schon schwer, dem anderen drei Sekunden in die Augen zu sehen.“ Die Zeit reiche indes nicht, um Veränderungen vorzunehmen. „Aber auch da könnten Angebote miteinander verwoben werden“, so Franka Schwuchow vom T-Werk und verwies auf ein Stimmbildungstraining, das die Heinrich-Böll-Stiftung im T-Werk anbietet.

Bereits vor sechs Jahren begann das T-Werk mit seiner Lehrerfortbildung, so Yasmina Ouakidi. Unter anderem wurde Lehrern vermittelt, wie sie Stücke mit Jugendlichen erarbeiten können, die sprachbehindert sind. Seit drei Jahren gibt es zudem eine Zusammenarbeit mit dem Philadelphischen Ring München, der jungen Leuten ein soziales Jahr ermöglicht und das mit Theaterworkshops als Lebenshilfe verknüpft. Zweimal im Jahr reisen 16- bis 22-Jährige dafür extra aus Bayern an, so Yasmina Ouakidi. Wie groß der theaterpädagogische Bedarf insgesamt ist, soll eine Marktanalyse ergeben, für die das T-Werk jetzt Fragebögen erarbeiten möchte. „Darauf aufbauend können wir unsere Angebote stärker nach außen tragen, was dann auch personell untersetzt werden muss“, betont Sprengel. Doch das alles macht nur Sinn, wenn die Basis nicht wie Eis wegbricht.

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