Kultur: Immer neugierig auf Neues
Heute Potsdamer Antrittsvisite von Howard Griffiths, neuer Chefdirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters
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Nun also ist es soweit: beim Auftakt der Sinfoniekonzertsaison heute um 19.30 Uhr im im Nikolaisaal wird der Brite Howard Griffiths, neuer Chefdirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt, seine Potsdamer Antrittsvisite absolvieren. Im Anschluss an das Konzert mit Werken von Boris Blacher, Niccolo Paganini und Robert Schumann wird der 1950 in Hastings geborene, im vorigen Jahr von Queen Elizabeth II wegen seiner Verdienste um das Musikleben in der Schweiz zum „Member of the British Empire“ ernannte Maestro zum Publikumsgespräch im Foyer erwartet. PNN sprach bereits vorher mit ihm.
Warum sind Sie Dirigent geworden?
Als ich noch Bratschist im Orchester der Oper Zürich war, erkannte ich bald, dass ich an meinem Pult nur begrenzte Möglichkeiten hatte zu wirken. Zum anderen habe ich viele Dirigenten bei ihrer Arbeit beobachtet, worauf ich befand, ich könnte es selber viel besser machen. Da mich die Komplexität einer Partitur stets interessiert hatte, genauso wie die Arbeit mit Menschen, die Übermittlung einer musikalischen Botschaft, war mir klar: dazu braucht es einer entsprechenden Position. Also wurde ich Dirigent.
Sie starteten ihre Karriere als „Einspringer“
und zwar inmitten einer Aufführung von Orffs "Carmina Burana" am Opernhaus in Ankara. Als meine Frau, die aus Istanbul stammt und in London Bratsche studierte, eine Stelle in Zürich bekam, verließen wir die Türkei und leben seit 1981 in der Schweiz. Zunächst war ich freischaffender Dirigent, dann wurde ich für fünf Jahre Principal Guest Conductor beim Zürcher Kammerorchester, leitete zwischenzeitlich das „Concerto da Camera“ in Oxford, ehe mich das Zürcher Kammerorchester erneut, nun als Chef, holte.
Doch 2006, nach insgesamt 15-jähriger „Ehe“, kündigten sie die Partnerschaft
weil ich die enge Beziehung für ausgereizt hielt, obwohl wir gemeinsam viel erreicht hatten. Aber man braucht immer mal wieder etwas Neues im Leben!
Zwischenzeitlich haben sie viel mit renommierten Orchestern gearbeitet. Warum dennoch der Gang nach Frankfurt an der Oder?
Ganz einfach: ich wollte ein großes Sinfonieorchester haben, um meine Ideen verwirklichen zu können. Und in Frankfurt war die Chefstelle gerade vakant Mit den Musikern hatte ich bereits im letzten Jahr gearbeitet, wobei die Chemie zwischen uns von Anfang an stimmte. Dabei hat mir ihre Arbeitsweise und Wissbegierde, das gegenseitige Vertrauen sehr gefallen. Die Musiker waren offen für meine Ideen.
Welche sind das?
Ich denke, wir werden in Richtung historischer Aufführungspraxis gehen – nicht nur bei Barockkomponisten oder Wiener Klassikern, sondern beispielsweise auch bei Mahler, der eine durchsichtige Musik von kammermusikalischem Zuschnitt geschrieben hat. So steht''s in seinen Partituren. Ich finde, jeder Komponist hat ein Recht auf sein Klangbild!
Wie wollen sie es erreichen?
Indem wir ganz auf eine durchsichtige Klangbildung setzen, die Streicher mit leichterem Strich und anderer Bogenführung spielen lassen, Vibrato nur einsetzen, wo es passend ist.
Wollen Se das Repertoire verändern?
Nein, aber erweitern. Neben den großen Romantikern wie Schumann, Brahms, Bruckner, Mahler und den Russen möchte ich auch mehr unbekannte Werke von ihnen oder weitgehend in Vergessenheit geratenen Tonsetzern aufführen, die zur gleichen Zeit wie die Heroen der Zunft gelebt haben. Gegenwärtiges aber auch!
Musik muss klingen und schwingen können. Des Orchesters Heimspielstätte, die Konzerthalle, hat da so ihre akustischen Probleme. Schwierig sie zu lösen?
Leichter mit Akustikern als mit der Denkmalpflege! So hat man über fest installierte Klangsegel und Absorber nachgedacht – erfolglos. Wir überlegen, bei Konzerten ein Netz über die Orgel zu hängen, um die Quelle des Klangs „abzutrocknen“.
Und wie steht''s damit in des Orchesters „Zweitwohnsitz“, dem Nikolaisaal?
Ich wünschte mir, eine Sekunde von der Frankfurter Nachhallzeit nach Potsdam transferieren zu können!
Wie begegnen Sie den Schwierigkeiten mit wechselnden Räumen?
Ganz einfach: Für ein Sinfoniekonzert muss das Orchester zwei vorher eintrainierte Spielarten parat haben. In Frankfurt spielt sich''s leicht und prägnant. Ein Stakkato sollte man ganz kurz nehmen – lass die Akustik den Rest machen. Umgekehrt ist''s in Potsdam: da muss man die Akustik ein bisschen selber machen, alles ein wenig länger und nicht so hart, mit einem schnelleren und weicheren Streicherstrich spielen.
Was bedeutet Ihnen Musik?
Alles. Sie gehört wie das morgendliche Rasieren zu meinem Tagesablauf. Sie ist ein sehr wichtiger Teil unserer Gesellschaft, weil sie Seelennahrung bedeutet. Und sie gibt einem Menschen ungeheuer viel zurück. Wichtig ist, dass junge Leute ein Instrument spielen lernen. Darum werde ich die Familienkonzerte wieder beleben.
Das Gespräch führte Peter Buske
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