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Von Klaus Büstrin: In den Fängen der „Allmacht“

„Staats-Sicherheiten“: 15 Schicksale aus dem Gefängnis / Morgen Uraufführung im Hans Otto Theater

Stand:

Staatssicherheitsdienst. In früheren Jahrzehnten und in anderen Ländern nennt man ihn Geheimdienst oder auch Nachrichtendienst – eine verdeckt operierende Behörde, die die Informationen zur außen-, innen- und sicherheitspolitischen Situation sammelt und auswertet. In Diktaturen sind Geheimdienste ein wichtiger Machtfaktor. Zu ihrer Aufgabe gehört das Aufspüren und die Einschüchterung politischer Gegner – ein Kontinuum durch die Jahrhunderte.

Von Menschen, die die „Allmacht“ Staatssicherheit in der DDR, das „Schwert und den Schild der Partei“ mit aller unerbittlichen Schärfe erlebten, erzählt „Staats-Sicherheiten“. Nein, es wird nicht über sie erzählt, sie erzählen selbst über ihr persönliches Schicksal, wie sie in die Fänge des Überwachungsapparates gerieten. Es sind 15 Schicksale von Menschen, die heute zwischen 40 und 80 Jahre alt sind. Als man sie in die Stasi-Gefängnisse in Berlin-Hohenschönhausen oder in die Potsdamer Lindenstraße einlieferte, waren sie noch junge Leute. Sie sollten eingeschüchtert, gedemütigt, bestraft werden, weil sie ihrem natürlichen Drang nach Freiheit, nach Demokratie nachgehen wollten.

Auf der Bühne des Hans Otto Theaters werden morgen ehemalige Häftlinge stehen und berichten. Es ist kein Stück im traditionellen Sinn, sondern ein Dokumentar-Spiel – ein authentisches. Die Publizistin Lea Rosh sowie die Malerin und Psychoonkologin Renate Kreibich-Fischer haben die Idee und das Konzept für die Szenen geliefert. Mehrere Monate führten sie stundenlange Gespräche mit Menschen, die wegen Republikflucht oder illegaler politischer Betätigung in Stasi-Gefängnissen zubringen mussten. Es sind erschütternde Berichte. In Clemens Bechtel fanden sie einen Regisseur, der das Konzept als Stück formte. Der in Heidelberg Gebürtige hat sich immer wieder intensiv mit der Umsetzung politischer Themen unserer Gegenwart auf der Bühne beschäftigt.

„Menschen mit ganz unterschiedlichen Geschichten wird man erleben. Für manche sind die Erlebnisse vor allem in den Untersuchungsgefängnissen noch heute belastend, andere fanden leichter den Weg aus den sie verfolgenden Albträumen heraus.“ Bekannte Bürgerrechtler der DDR, wie Vera Lengsfeld und Stephan Krawczyk, sowie Menschen, die nicht im Blickpunkt von Medien standen, fungieren in dem Dokumentar-Spiel als Darsteller. „Sie erzählen nicht ihre Biografien in voller Breite, sondern sie konzentrieren sich auf Mosaiksteine: Wie kam es, dass sie in die Fänge der Stasi gerieten, wie war ihr ganz persönlicher und politischer Hintergrund, wie waren die Vernehmungsmethoden, die Haftbedingungen“, erklärt Clemens Bechtel.

Beispielsweise Edda Schönharz (Jahrgang 1944): „Sie war eine beliebte Fernsehmoderatorin. Ihr Fluchtversuch im Jahre 1974 scheiterte. Man verurteilte sie zu drei Jahren Gefängnis. Ihre Kinder konnte sie nicht sehen. Nach der Entlassung stellte sie Ausreiseanträge, konnte aber erst Ende 1979 mit den Kindern die DDR verlassen. Besonders belastend war die Trennung von ihren Kindern, die Unterbringung mit ausschließlich Kriminellen und die intime Untersuchung durch die Stasi.“

Oder Harry Santos: (Jahrgang 1955): „Er hatte intensiven Kontakt zu Bürgerrechtlern. 1982 versuchte er, in den Westen zu fliehen. Es misslang und er wurde verhaftet wegen ,Vorbereitung und Planung eines illegalen Grenzübertritts“. Er erlebte eine Odyssee durch verschiedene Haftanstalten. Ihm wurden Bart und Haare zwangsweise geschoren und er wurde an eine Heizung angekettet.“

Für die Berichte ist kein Manuskript geschrieben worden. „Die Darsteller erzählen aus dem Gedächtnis.“ Sie sind keine professionellen Schauspieler, sondern Laien. Einige von ihnen stehen sogar das erste Mal auf einem öffentlichen Podium. „Die Schicksale werden nicht 1:1 nachgespielt, doch wir arbeiten mit dem Spektrum theatralischer Mittel, mit gestischen Andeutungen, Licht, Monologen und Ensembleszenen sowie mit Musik, für die der Liedermacher Stefan Krawczyk verantwortlich ist“ ,so Bechtel.

Sieben Wochen lang wurde szenisch gearbeitet. Die Proben waren kürzer angesetzt als am Theater sonst üblich, denn die Darsteller sind noch mit anderen Dingen des Lebens beschäftigt als nur mit dem Theaterspielen. „Aber alle waren ganz intensiv und mit viel Engagement bei der Sache“, so der Regisseur. Clemens Bechtel möchte mit „Staats-Sicherheiten“ über den historischen Aspekt hinaus ins Heute verweisen. Guatanamo, das US-Gefangenenlager auf Kuba, wäre ein Beispiel, wo das Wort Menschenrechte nicht zu den Lieblingsworten gehört.

18. Oktober, 19.30 Uhr, 19. Oktober, 15 Uhr Hans Otto Theater

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