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Die Potsdamerin Simone Kabst ist in der Rolle der Jelena Andrejewna zu sehen.

© A Klaer

Kultur: Infiziert von snobistischer Untätigkeit

Theater „Poetenpack“ spielt ab 5. Juli im Q-Hof Anton Tschechows „Onkel Wanja“

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Als geistlos und langweilig empfindet die schöne Professorengattin Jelena ihr Sommerleben auf dem Lande. Sie und ihr um Jahre älterer Ehemann haben sich seit Tagen auf ihrem Landgut eingenistet, das von Verwandten verwaltet wird: von Sonja, der Tochter des Professors aus erster Ehe, sowie der Mutter seiner ersten Frau und deren Sohn Wanja, der nach ihrem Willen eine „leuchtende Persönlichkeit“ sein sollte. Alle lassen sich infizieren von der snobistischen Untätigkeit der Städter, die auf dem Land vergeblich nach Kunst und Kultur suchen.

Anton Tschechow hat sein Stück „Onkel Wanja“ im Untertitel „Szenen aus dem Landleben“ benannt. Der Aufführungsort der neuen Potsdamer Inszenierung atmet die nötige „Landluft“. Schließlich ist er auf einem Hof eines ehemaligen Gärtnereibesitzers angesiedelt. Mit seinen Stallgebäuden fühlt man sich wie auf dem Land. Man hat den Eindruck, gleich springen aus den Türen der Stallungen Hühner oder Schafe heraus. Doch seit etlichen Jahren ist von hier aus das freie Theater „Poetenpack“ unter der künstlerischen und organisatorischen Leitung des Schauspielers Andreas Hueck auf den Sprung, die Theaterbretter zu erobern. Auf alle Fälle hat es auf dem Q-Hof sein festes Domizil und sorgt in der Nähe des Kuhtores in der Lennéstraße alljährlich für ein Sommertheater-Vergnügen.

Vor allem Komödiantisches steht auf dem Programm. Einen besonders großen Erfolg konnte „Poetenpack“ vor fünf Jahren mit Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ verbuchen. Noch heute gastiert die Truppe mit dem Lustspiel überall in deutschen Landen. Unlängst gab es die 100. Jubiläums-Vorstellung. Von Anfang an war auch die Stahnsdorferin Johanna Lesch in der Rolle der Frau Brigitte mit von der Partie. Auch als Dienerin Charis in Kleists „Amphitryon“. Nun spielt sie in „Onkel Wanja“ zwei Rollen, die Maria Wassiljewna und Njanja, die alte Kinderfrau. „Dass ich in einem Tschechow-Stück mitwirken kann, freut mich ganz besonders“, sagt Johanna Lesch während eines Gesprächs mit dem Inszenierungs-Team auf dem Q-Hof. „Durch meine jahrelange Kabarett-Tätigkeit kamen viele tolle Rollen in meinem Schauspielerleben nicht mehr vor. Dank Andreas Hueck ist es nun wieder möglich.“

Hueck, der Regisseur von „Onkel Wanja“, ist glücklich über die Besetzung. Ihm war es schon bei den Konzeptionsüberlegungen klar, welche Rolle er mit wem besetzen würde. Die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen sind neu auf dem Q-Hof, so auch die Potsdamerin Simone Kabst als Jelena Andrejewna. Besuchern der Urania-Reihe „Im Garten vorgelesen“ dürfte sie aber längst keine Unbekannte mehr sein. In verschiedenen Lesungen begeisterte sie durch ihre hohe Sprachkultur. Jetzt darf man auf ihre Gestaltung der Tschechow-Rolle gespannt sein. Für den gebürtigen Dresdner und jetzt in Berlin lebenden Mirko Zschocke bedeutet der Onkel Wanja die erste darstellerische Begegnung mit Tschechow auf der Bühne. „Sie ist eine große, aber wunderbare Herausforderung für mich. Solch ein Angebot bekommt man nicht alle Tage“, bekennt der Schauspieler, der ansonsten über reiche künstlerische Erfahrungen an verschiedenen Theatern verfügt.

Wie immer bei Tschechow lebt das Stück von Gesprächen, die Lebensproblematiken umkreisen. Der Grundton kontemplativer Untätigkeit, bei dem die Protagonisten ihre Lebensphilosophien verkünden, muss in jeder Inszenierung neu hinterfragt werden. Für Regisseur Andreas Hueck, der sich wie die Bühnen- und Kostümbildnerin Janet Kirsten zum ersten Mal diesen „Szenen aus dem Landleben“ nähert, ist es spannend gemeinsam mit den Darstellern, dabei sind auch Rike Joeinig, Wolfram Grüsser, André Kudella und Johannes Richard Voelkel, die Tschechow’schen Figuren zu entdecken und deren zugrundeliegende Motivationen zu beleuchten. So sucht Wanjas nach Höherem strebender Geist verzweifelt in Jelena einen Zielpunkt. Seine Leidenschaft bleibt unerwidert. Oder die jugendliche Schwärmerei Sonjas für den Freund des Hauses, den Arzt Michail Astrow, der sich ausgebrannt und liebesunfähig fühlt, ist ebenfalls von großem Interesse.

Zwanzig Aufführungen sind in diesem Sommer geplant. Zehn Vorstellungen gibt es auf dem Q-Hof, die anderen traditionell in Magdeburg. Die Potsdamer Spielstätte hat aber noch zwei weitere Stücke parat: Das Theaterkabarett „Gretchen 89 ff.“ von Erfolgsautor Lutz Hübner als Gastspiel von Theaterlust München (3./4. August) sowie die Poetenpack-Inszenierung „Offene Zweierbeziehung“ von Franca Rame und Dario Fo am 10. Und 11. August.

„Onkel Wanja“, Premiere am 5. Juli um 20 Uhr im Q-Hof, Lennéstraße 37, Karten unter der Rufnummer 0331.9791291

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