Kultur: Inspiration und Denkanstöße
Ausstellung im Museumshaus: Absolventen der Fachschule ehren ihren Lehrer Werner Nerlich
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Die Kataloge der Fachschule für Werbung und Gestaltung Berlin mit der Außenstelle Potsdam, die in den Jahren 1972 oder 1975 erschienen sind, sind zwar Zeitdokumente, doch im Großen und Ganzen kaum lesbar. Fast in jedem Beitrag wird das Wort Sozialismus Dutzende Mal bemüht, dem Leser der „gesellschaftliche Hauptauftrag“ der Fachschule mitgeteilt, nämlich „die Aneignung fundierter und umfassender marxistisch-leninistischer Kenntnisse, verbunden mit einem hohen Grade der fachlichen Qualifizierung, Erziehung zu einem festen Klassenstandpunkt zu Übereinstimmung von Denken und Tun.“ Die Worthülsen waren für manche Mitarbeiter und Studenten der Fachschule fraglos ein wichtiges Anliegen, für die meisten gehörten sie jedoch zum DDR-Wortritual, das man so schnell wie möglich ablegen wollte. Für alle aber war mit Sicherheit eine theoretisch fundierte und praxisnahe Lehre A und O des Studiums.
Bekannte Künstlerinnen und Künstler gingen aus dieser Einrichtung hervor. Zehn von ihnen zeigen derzeit im Museumshaus „Im güldenen Arm“ ihre bildnerischen Arbeiten, auch solche, die sie auf Fotografien „nur“ dokumentieren: Peter Frenkel, Inge und Heinz Fürstenberg, Lothar Gericke, Siegfried Körber, Siegfried Lachmann, Manfred Rößler, Volker Träger, Manfred Wenck und Klaus Winter. Eine facettenreiche Schau hat Kurator Siegfried Lachmann zusammengestellt.
Die Maler, Keramiker, Werbegrafiker oder Szenenbildner haben in der Fachschule, so bekennen sie selbst, die wichtigsten Grundlagen und darüber hinaus Inspirationen und Denkanstöße erhalten. Die Qualität der meisten Arbeiten, die gezeigt werden, ist hoch. Beispielsweise die Bilder des Erfurter Künstlers und Pädagogen Siegfried Körber. Die in ein mildes Licht getauchten Landschaften, die er in Portugal und in Frankreich aquarellierte, sind von einer wunderbar dichten Atmosphäre. Ebenfalls viel Poesie strömen die farbig kraftvollen Bilder vom Oderbruch und Gardasee (Misch- und Aquarelltechnik) von Manfred Wenck aus, der bei Neuzelle als Baukeramiker und Maler tätig ist. Fantasie besitzen auch seine Baukeramiken wie Überlaufbrunnen oder Gartenstelen, die als Fotografien gezeigt werden. Manfred Rößlers Steinzeug- und Klinkerkeramiken, die als Studie beziehungsweise als Ergebnisse auf Bildern eine Präsentation erfahren, sind, wie zu erwarten, ironisch-hintergründig.
Der jahrzehntelang für den Film arbeitende Potsdamer Szenenbilder Klaus Winter ist mit seinen fantasievoll-märchenhaften Entwürfen zu dem TV-Film „König Phantasios“ (1989, Regie: Karola Hattop) „Im Güldenen Arm“ vertreten. Siegfried Lachmanns Plakate über politische Themen sind klar gestaltet und haben eine eindeutige Aussage, die keine Schnörkelei zulassen.
Dieses Ausstellungs-Stelldichein findet anlässlich des 100. Geburtstags von Werner Nerlich am 3.Juli statt. Damit wollen die Absolventen ihren Lehrer ehren. Der gebürtige Babelsberger war Gründer der Fachschule für Werbung und Gestaltung und zugleich ihr Direktor. Nerlich, der 1945 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft mit der Roten Armee als Beauftragter des Nationalkomitees Freies Deutschland in seine Heimatstadt zurückkehrte, wurde klipp und klar vom Ministerpräsidenten Fritz Steinhoff mitgeteilt: „Maler brauchen wir nicht“. Doch der ambitionierte junge Mann ließ nicht locker und gründete 1947 in Eigeninitiative, die Landesmalschule Brandenburg.
Die Anfänge gestalteten sich als schwierig. Das ruinöse Gebäude in der Schopenhauerstraße wurde für den Unterricht provisorisch hergerichtet. Nerlich und die Lernenden legten selbst Hand mit an. Ab 1951 nannte sich die Landesmalschule dann Fachschule für Gestaltung Potsdam. 1955 fusionierte man sie mit der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin. Die Außenstelle in der Potsdamer Schopenhauerstraße blieb. Nerlich verband stets Theorie und Praxis zu einer Einheit. 1994 wurde die Einrichtung aufgelöst, die Fachhochschule Potsdam gegründet. Klaus Büstrin
Bis 28. Juni, 12-18 Uhr, Museumshaus Im güldenen Arm, Hermann-Elflein-Straße 3.
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