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Kultur: Intensiv nachwirkend

ZDF-Erntedankgottesdienst in der Dorfkirche Groß-Glienicke

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ZDF-Erntedankgottesdienst in der Dorfkirche Groß-Glienicke Der Beginn ist ungewöhnlich. Musik aus dem 8. Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch erklingt, dramatisch, vorwärtsdrängend, erregend. Dazu kommen Bilder von einer zerstörten Stadtim und nach dem Krieg, Menschen voller Hoffnungslosigkeit, bestürzt und fragend sieht man auf dem Bildschirm. Das ZDF überträgt den Erntedankgottesdienst 2003 aus der Dorfkirche Groß Glienicke. „Was der Mensch säet, das wird er ernten“. Das Wort aus dem Brief des Apostels Paulus an die Galater steht im Mittelpunkt. Nicht nur dem täglichen Brot, den Gaben vom Felde und aus Gärten widmen sich die Veranstalter des Gottesdienstes in der Reihe „Provokation Bibel“. „Was der Mensch säet“– dies hat noch weit andere Dimensionen. Der Mensch, so ist es seit Urzeiten, säet immer wieder Hass, Neid, Feindschaft, Kriege. Dabei können sich Liebe, Langmut, Friede, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung – wichtige Kriterien für unsere menschliche Existenz – nur schwer entfalten. Dies erfuhren auch die Groß Glienicker immer wieder in verschiedenen Gesellschaftsordnungen. Burkhard Radtke berichtete aus der wechselvollen Geschichte des Ortes, in dem man nach dem Zweiten Weltkrieg alles das vernichtete, was an Adel oder Gutsherrschaft erinnerte, in dem man fast dreißig Jahre mit Mauer und Unrecht leben musste. Die Predigt von Bischof Wolfgang Huber spricht vieles an, was den Menschen in unseren Tagen bewegt, auch die Reformen, mit denen sich die Politik beschäftigt. Doch man sucht vergeblich nach einem guten Wort inmitten der Zeit von Orientierungs- und Haltlosigkeit. Die frohe Botschaft bleibt ein wenig auf der Strecke. Die hört man dann eher in der beeindruckend ernsten Musik von Siegfried Matthus durchscheinen, in seiner Vertonung des Galater-Textes „Irret Euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten ... Was der Mensch säet, das wird er ernten ...“ In dem im weitgehend rezitativischen Stil komponierten Werk – in manchem an Heinrich Schütz erinnernd – für Sopran, Streichquartett und Orgel drückt der Komponist seine Betroffenheit über diesen immer so aktuellen Text aus. Unerbittlich wird der Hörer mit der Aussage konfrontiert. In Eva-Maria Bundschuh fand Matthus eine Solistin, die das Galater-Wort und seine musikalische Interpretation mit großem inneren Engagement sehr bewegend singt, auch in dem hervorragend spielenden Streichquartett mit Musikern der Komischen Oper Berlin und der Organistin Lenka Fehl-Gajdosova. Ein ungewöhnlich-ernster Erntedankgottesdienst an diesem Sonntagmorgen, intensiv nachwirkend. Klaus Büstrin

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