Neues ohne Geschwätzigkeit: „Intersonanzen“ mit Musik zu 25 Jahre Einheit
Die „Intersonanzen“ sind ein Beweis. Dafür, dass zeitgenössische Musik im Land Brandenburg eine Heimat hat.
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Die „Intersonanzen“ sind ein Beweis. Dafür, dass zeitgenössische Musik im Land Brandenburg eine Heimat hat. Seit 15 Jahren gibt es das kleine Festival für neue Musik in der Landeshauptstadt. Es wird immer mehr zu einem kulturellen und künstlerischen Leuchtturm. So zu hören am vergangenen Wochenende. Eine Reihe von Veranstaltungen gehörten zum Programm – für Menschen vom Fach, aber auch für Neugierige, die sich aus Interesse und Freude an Neuem an den verschiedenen Veranstaltungsorten einfanden.
Höhepunkt war das Konzert in der fabrik mit dem Philharmonischen Orchester Cottbus unter der Leitung seines Chefdirigenten Evan Christ, die sich der zeitgenössischen Musik mit Überzeugung und großem Können widmen. Von zwölf Komponisten, die dem Brandenburgischen Verein für neue Musik angehören, der auch Veranstalter des Musikfests ist, wurden dort brandneue Werke zur Uraufführung gebracht. Die Künstler sollten das Thema 25 Jahre deutsche Einheit aufgreifen und sich den traditionellen Apparat eines großen Sinfonieorchesters dienstbar machen. Die Komponisten reflektierten die politische Wende, die Wiedervereinigung und die 25 Jahre danach in fünf- bis achtminütigen Miniaturen. Freude und Jubel, Hoffnung, Erfülltes, Enttäuschung oder Resignation wurden in kurzweilig-nachdenklichen, jedoch nicht oberflächlichen, oftmals farbenreichen und differenziert geschriebenen Stücken zur Sprache gebracht. Die Komponisten mussten für die wenigen Minuten, die ihnen vorgegeben wurden, wohl sehr konzentriert arbeiten, sodass sich in ihren Stücken keine Geschwätzigkeit einstellte.
Da hörte man beispielsweise von Bodo Bärwinkel Sanft-Freundliches und von Volker Freidel Eruptiv-Bedrohliches. Beide fühlen sich der Filmmusikästhetik verpflichtet. Peter Koeszeghy nahm in seinem grotesk wirkenden Stück „BrD GmbH“ die Nationalhymne der DDR in den Blick und verfremdete sie, ebenso Susanne Stelzenbach das DDR-Pionierlied „Unsere Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer“ in ihrer Komposition mit dem Titel „Heimat“. Besonders in Stelzenbachs Stück wird die Brüchigkeit des Sozialismus hörbar. Verschiedene Stimmungen und Anfragen, die die Ostdeutschen 1989/90 an die neue Zeit hatten, wurden in eindrucksvoller Dichte verarbeitet. Hermann Keller überschrieb sein als Vorspiel bezeichnetes Stück „Zerreißt die unsichtbaren Ketten!“. Der US-Amerikaner Evan Christ berichtete in seiner Moderation, dass es ihn an seine Studienzeit in Leipzig erinnert, in der er die gewaltlosen Montagsdemonstration erlebte, die ihn zutiefst beeindruckten. Keller nimmt in seinen musikalischen Intentionen die alte Gebetsbitte „Dona nobis pacem“ sowie die Losungsworte der DDR-Oppositionellen „Frieden schaffen ohne Waffen“ auf. Sie lässt er von den Orchestermitgliedern chorisch sprechen. Ein wenig Pathos macht sich da breit. Frank Petzold hat in „Jump“ Jazziges einfließen lassen. Das hatte Schwung und kündete von Dankbarkeit für die Überwindung der DDR-Diktatur und von seinem kraftvollen Sprung in das Neue. Auch Albert Breier, Ralf Hoyer, Irina Emiliantseva, Johannes K. Hildebrandt, Henry Mex und Stefan Lienenkämper bereicherten das Konzert mit ihren Miniaturen. Zeitgeschichte wurde klingend erlebbar.
Zu bewundern war an diesem Abend besonders die überzeugende musikalische und interpretatorische Präsenz des Philharmonischen Orchesters Cottbus und von Evan Christ, der die Musiker durch die zwölf Kompositionen mit Lust führte, die sie mit Virtuosität und weitgehend feinem Klangsinn spielten. Für sie und für die Komponisten gab es sehr dankbaren Beifall. Klaus Büstrin
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