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Kultur: Jazz aus Potsdam
Von der lokalen Jazzszene war lange Zeit nichts zu hören – doch jetzt tut sich etwas
Stand:
Jazz aus Potsdam. Was wie eine Marke, wie eine Konzertreihe klingen könnte, ist bei genauerer Betrachtung seit längerer Zeit leider nur der Ausdruck eines Mangels in dieser Stadt. Natürlich gibt es regelmäßig Jazzkonzerte in dieser Stadt. Vor allem der Nikolaisaal sorgt hier für bekannte Namen und hat zusammen mit dem Kulturradio des RBB die ausgezeichnete Reihe „Voice in Concert“ etabliert. Doch darüber hinaus wirkt die Jazzlandschaft in Potsdam, auch was die eigene Szene betrifft, bis auf wenige Ausnahmen wie eine Ödnis. Doch jetzt tut sich etwas.
Die beiden Potsdamer Musiker Nicolas Schulze und Oliver Fröhlich treibt schon länger die Frage um, was in Sachen Jazz in dieser Stadt machbar ist. Gitarrist Oliver Fröhlich weiß durch seine Auftritte mit Bands wie dem Socket Swing Trio und 98 Strings, wie schwierig es ist, in Potsdam regelmäßig zu spielen. Pianist Nicolas Schulze, der mit dem Ek Safar Trio auch international Beachtung findet, kann sich nur wundern, wie schwer sich hier die Stadt tut. „Es gibt die Potsdamer Jazztage, die aber nur als Teil eines Veranstaltungsdreiklangs stattfinden. Musiker aus Potsdam spielen dabei, wenn überhaupt, nur am Rande eine Rolle“, so Schulze. Oliver Fröhlich und Nicolas Schulze wollte sich das nicht länger mit anschauen und haben gehandelt. Am Freitag, dem 25. Oktober, laden sie zum ersten Mal in das „Jazz Lab“ in die „fabrik“ in der Schiffbauergasse ein.
„Jazz Lab ist Klanglabor und Hörwerkstatt zugleich“, sagt Nicolas Schulze. „Lab“ stehe für Laboratorium. Und als solches soll dieses neue Konzertereignis, das vorerst einmal im Monat stattfindet, auch verstanden werden. „Den Auftakt macht eine Band mit einem kleinen Set. Danach ist die Bühne offen für eine Session“, so Schulze. Beim ersten „Jazz Lab“ wird der Jazz im Mittelpunkt stehen. Musiker sind eingeladen, sich auf der Bühne zu begegnen und in einer Session auszutauschen. Doch nicht allein auf den Jazz wollen Fröhlich und Schulze ihr Laboratorium beschränken. „Dafür ist die Szene in Potsdam auch zu klein“, so Schulze. Hier soll alles möglich sein, auch die Verbindung mit Tanz, klassischer und neuer Musik. Ein Ort des Austauschs und des Kennenlernens. „Wir fangen erst einmal an und werden sehen, wie es sich entwickelt. Aber es wird Zeit, dass sich hier mal jemand darum kümmert.“
Eine, die sich in Potsdam um den Jazz kümmert, ist Barbara Rothenburg. Seit 15 Jahren gehört das Café Rothenburg zu den Stamminstitutionen, wenn es um Sachen Jazz geht. Zweimal im Monat bietet Barbara Rothenburg in ihrem Café Jazzmusikern eine Bühne. Besonderen Wert legt sie dabei auf die Mischung aus Wohnzimmer- und Klubatmosphäre. „Es ist schön, wenn die Leute ganz entspannt bei Livemusik zusammensitzen können, aber es gibt dann eben auch die besonders spannungsgeladenen Abende, an denen der Saxofonist am Ende auf den Tisch springt, um noch einmal alles zu geben“, sagt Barbara Rothenburg, die in den vergangenen Jahren ein breites Netzwerk zu Künstlern auch über die Stadtgrenzen hinaus aufgebaut hat. Das größte Problem der hiesigen Jazzszene sieht Barbara Rothenburg beim Potsdamer Publikum. Zu verwöhnt seien diese von dem kulturell so vielfältigen Angebot der Stadt. „Die wissen gar nicht mehr, wo sie hingehen sollen. Da fällt eine Musikrichtung wie der Jazz schnell hinten runter.“ Obwohl sich Barbara Rothenburg über mangelnden Zulauf an Musikern und Publikum nicht beschweren will. Schon ein Jahr im Voraus seien die Künstler für die Konzerte gebucht und die Tische des Cafés reichen für das zahlreiche Publikum auch nicht immer aus. Doch in den vergangenen Jahren habe sich da viel verändert. „Früher war das Publikum deutlich interessierter. Heute ist das alles nicht mehr so.“ Die Wertschätzung für den Musiker und seine Arbeit sei einfach nicht mehr vorhanden. „Solange es mich gibt, gibt es auch die Jazzmusik im Café Rothenburg!“
Jürgen Börner sieht das anders. „In Potsdam gibt es nur wenige Jazzmusiker und noch weniger Veranstaltungsorte“, so Börner. „Obwohl das Publikum für Jazz durchaus da ist.“ Börner spricht für die Jazzinitiative Potsdam, einen Verein, der sich der Unterstützung einer lebhaften Jazzszene in der brandenburgischen Landeshauptstadt verschrieben hat, die Verknüpfung zwischen Musikern, Zuhörern und Veranstaltern sein will. Aber weder Musiker noch Veranstalter haben die Bemühungen der wenigen Mitglieder der Initiative zu schätzen oder nutzen gewusst. Kein Netzwerk, wo es nichts zu vernetzen gibt. „Die Musiker haben Angst, dass ihnen etwas weggeschnappt werden könnte, wenn sie sich einer solchen Initiative anschließen“, sagt Jürgen Börner. Schließlich gebe es sowieso nur wenige Auftrittsmöglichkeiten. Viele Musiker ziehe es nach Berlin, da sei die Jazzszene deutlich lebendiger. Eine Entwicklung, die ihm zu schaffen macht: „Wenn sich hier niemand mehr kümmert, wird sich die schon magere Jazzszene in Potsdam vollständig auflösen.“ Mit dem Kulturhaus Babelsberg hat die Jazzinitiative nun die monatliche „Babelsberger Blues & Jazzreihe“ ins Leben gerufen und sorgt so für ein weiteres kleines Lebenszeichen in Sachen Jazz aus Potsdam.
Für Felix Dubiel ist Jazz aus Potsdam dagegen fast schon Tagesgeschäft. Im Café Heider und im Museum Fluxus+ kommt der Potsdamer regelmäßig zu seinen Auftritten. Doch von einer echten Jazzszene in Potsdam will auch er kaum sprechen. Viel laufe über private Kontakte. „Über die Jahre baut man Beziehungen zu anderen Musikern und Veranstaltern auf“, so Dubiel. Wenn er selbst keine Zeit für eine Veranstaltung findet, schlägt er einen anderen Musiker vor, der sich bei einer anderen Gelegenheit auf gleiche Art revanchiert. 95 Prozent seiner Aufträge bekomme er über Kontakte. Rivalität sei unter den Musikern wenig zu spüren. „In Berlin ist die Situation aber schon wieder anders. Natürlich gibt es da viel mehr Möglichkeiten für Auftritte, doch die Konkurrenz ist auch viel größer.“ Auch in Potsdam seien Auftritte immer möglich, meist handele es sich dabei aber um Auftritte in Cafés oder bei Privatfeiern, weniger um Konzerte.
Es scheint, dass ein leichter und belebender Wind durch das Trockengebiet Potsdamer Jazzlandschaft weht, der Neugier und Hoffnungen weckt. Und da passt es auch ins Bild, dass sich auch im Waschhaus in der Schiffbauergasse wieder etwas in dieser Richtung tut. Vom 10. bis 12. Januar sind dort unter dem Motto „The Art of Piano“ Aki Takase und Alexander von Schlippenbach, Iiro Rantala und das Martin Tingvall Trio eingeladen. An diesem Wochenende lädt das „Jazz Lab“ auch zur dritten Session ein. Das klingt ja dann fast schon zu schön, um wahr zu sein.
Dirk Becker, Chantal Willers
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