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Shadi Zmorrod.

© Fadi Zmorrod

Interview mit Shadi Zmorrod: Kaffee statt Saft

Jonglieren, Tanz, Musik Mit seinem Zirkusprojekt "Kol Saber" bringt der Palästinenser Shadi Zmorrod ein Stück politische Kunst in die Potsdamer „fabrik“.

Herr Zmorrod, mit Palästina, Ihrer Heimat, verbindet man keine lange Zirkustradition. Wie kamen Sie dazu, die Palestinian Circus School zu gründen?

Als Kind hatte ich einem Traum, in dem ich im Zirkus auftrat. Den kannte ich damals aber nur aus dem Fernsehen. Später, an der Schauspielschule, war unsere erste Aufgabe, jemanden darzustellen, der wir noch nie waren. Da wählte ich einen Clown. Und im Jahr 2000 nahm ich an einem Workshop einer norwegischen Zirkustruppe teil. 2006 habe ich dann die Palestine Circus School gegründet.

Shadi Zmorrod, geboren 1979 in Jerusalem, studierte Schauspiel. Während eines Workshops kam er 2000 mit dem Zirkus in Berührung und gründete 2006 die Palestinian Circus School.

Sie haben auch eine politische Mission.

Als palästinensischer Künstler kann ich Kunst nicht ohne Politik denken. Das ist quasi all meinem Denken vorgeschaltet. Leider. Die Besatzung in der Westbank ist ja nicht in erster Linie eine des Landes – sondern der Gedanken. Daraus entsteht ein Zirkel der Gewalt, die bis in unsere Familien reicht. Sind die Eltern arbeitslos, gehen die Kinder nicht zur Schule.

Den Kindern versuchen Sie mit ihrer Zirkusschule eine Perspektive zu bieten.

Genau. Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg – aber es ist ein langer Weg. Erwachsene sind wie ein voll gefülltes Glas Saft. Man kann keinen Kaffee mehr daraufschütten, oder man bräuchte sehr viel Kaffee, um einen Austausch der Flüssigkeiten hinzubekommen. Bei Kindern ist nur ein klein wenig Apfelsaft im Glas. Also gehen meine Trainer und ich in die Flüchtlingslager oder in die Community-Center nach Jenin, wo Mädchen, anders als etwa in Ramallah, fast wie Hausmaschinen behandelt werden. Viele von ihnen haben Inzest und Gewalt erfahren. Wir versuchen, ihnen das Gefühl zurückzugeben, dass ihr Körper wichtig ist.

Der zeitgenössische Zirkus, den Sie verfolgen, nutzt Tanz, Musik und Jonglage, kommt aber ohne Worte aus.

Ich bin ein sehr physischer Mensch. Bei Projekten zwischen Arabern und Afrikanern, bei denen es keine gemeinsame Sprache gab, habe ich gelernt, dass man mit dem Körper viel tiefere Eindrücke hinterlassen kann. Es macht ja einen Unterschied, ob ich dir sage, dass ich dich liebe – oder ob ich es dir zeige.

Geht es darum in ihrem Stück Kol Saber – um die Liebe?

Nein, es geht um die Machtspiele. Die Spieler sind überall auf der Welt Männer. Der Titel ist ein Wortspiel: Kol bedeutet essen, Saber kann sowohl Kaktus als auch geduldig bedeuten. Und dann verwenden wir eine Reihe anderer Symbole. Die Jaffa-Orange etwa, die köstlichste Orangensorte der Welt. Aus der Gegend um Jaffa stammt mein Großvater – aber heute werden Jaffa-Orangen als israelisches Produkt deklariert. Das kommt mir vor wie eine Machtdemonstration: Sich unsere traditionelle Spezialität anzueignen.

Das Gespräch führte Ariane Lemme

„Kol Saber“ am heutigen Samstag um 21 Uhr und am Sonntag um 16 Uhr in der „fabrik“ in der Schiffbauergasse. Der Eintritt kostet zwischen 14 und 27 Euro

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