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Kultur: Kaiserin ohne Thron

Differenziertes Bild über Hermine, der zweiten Gemahlin von Wilhelm II., in einem Buch erschienen

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Im Jahre 1938 besuchte der Schriftsteller Jochen Klepper die zweite Frau des letzten deutschen Kaisers Wilhelms II., Hermine, in deren Berliner Residenz. Er erhoffte Hilfe für die Ausreise seiner beiden jüdischen Stieftöchter Brigitte und Renate. Hermine, so konstatierte er in seinem Tagebuch, wurde von bürgerlichen und adligen Kreisen als nazistisch und antisemitisch bezeichnet. Obwohl sie dem Schriftsteller und seinen beiden Stieftöchtern letztendlich nicht helfen konnte, fand er wohlwollende Worte für sie. Die Anfang in den dreißiger Jahren noch als Verehrerin von Hitler geltende Kaiser-Gemahlin hatte sich politisch gewandelt.

Die in Doorn ansässige Historikerin Friedhild den Toom, dort, wo Wilhelm II. von 1918 bis 1941 im Exil lebte, hat sich gemeinsam mit Sven Michael Klein aus Greiz, der Biografie Hermines angenommen, die zwar Kaiserin genannt wurde, aber niemals auf einem Thron saß. In Greiz war die Fürstenfamilie Reuss ältere Linie zu Hause. Und dort wurde Hermine 1887 geboren.

Die Autoren beleuchten das spannende Leben Hermines, das wohl auch für die meisten Kenner der Geschichte der Hohenzollern und der Reuss nahezu unbekannt oder bisher verzerrt dargestellt wurde. „Das negative Bild von Hermine hat mich neugierig gemacht. Ich begann mit der Suche nach Quellen“, sagt Autorin Friedhild den Toom. Sie wollte ein differenziertes Bild von Hermine zeichnen. Und so erschien dieser Tage das Buch, das mit einem eindrucksvollen Fotoschatz ausgestattet ist, beim Verein für Greizer Geschichte e.V. und beim Thüringischen Staatsarchiv Greiz. Friedhild den Toom versteht diese Arbeit als eine erste Annäherung an diese umstrittene Frau. Eine umfangreiche Biografie soll in den kommenden Jahren entstehen.

Prinzessin Hermine verlor bereits in jungen Jahren durch Tod ihre Eltern. Die Großherzogin Luise von Baden wurde ihre Pflegemutter. 1907 heiratete sie den Prinzen Johann Georg von Schoenaich-Carolath. Von nun an spielte sich ihr Leben im schlesischen Saabor ab, wo die Carolaths Schloss und Güter besaßen. Fünf Kinder wurden ihr in dieser Ehe geboren. 1920 starb Hermines Mann nach schwerer Krankheit. Da war sie erst 32 Jahre alt. Und 1921 ging auch das Leben von Kaiserin Auguste Victoria zu Ende. Zwischen dem Kaiser und Hermine entwickelte sich ein reger Briefwechsel, ausgelöst durch ein Schreiben ihres minderjährigen Sohnes Prinz Georg Wilhelm an den Kaiser in Doorn, der ihn wegen seiner angeblichen Einsamkeit rührselig bedauerte. Hermine wurde nach Doorn eingeladen. Am 9. Juni 1922 traf sie dort ein. Gegenüber seinem Flügeladjutanten Sigurd von Ilsemann äußerte der Ex-Kaiser, dass Hermine einen scharfen Verstand wie ein Mann besitze, für alles Verständnis habe, selber drei Güter verwalte, in öffentlichen Versammlungen Reden halte und nebenbei fünf Kinder erziehe. Hermine und Wilhelm kamen sich näher. Am 5. Mai 1922 heirateten sie. Mitglieder der kaiserlichen Familie und des Hofes nahmen aber eine mehr oder weniger distanzierte Haltung gegenüber der neuen Frau Wilhelms II ein. Sie verstanden nicht, dass der Kaiser ein Jahr nach dem Tod von Auguste Victoria so schnell wieder eine Ehe einging.

Hermine entwickelte ein großes soziales Engagement, bei dem sie Geld für Krankenhäuser sowie für arbeitslose Frauen und Mädchen sammelte und spendete. Das am Ende der zwanziger Jahr sich immer stärker abzeichnende Elend vieler Menschen in Deutschland, bewegte auch die Frau des Ex-Kaisers. In Hitler sah sie den aufkommenden Stern, der die Not beseitigen könnte: „Er hat dem ganzen deutschen Volk mehr Hoffnung geschenkt, als es seit fünfzehn Jahren gekannt hat.“ Auch glaubte sie daran, dass er die Monarchie wieder einführen würde. Am 4. Juni 1941 verstarb der letzte deutsche Kaiser in Doorn. Hermine wurde zum zweiten Mal Witwe. Sie ging zurück ins schlesische Saabor. Nur noch selten weilte sie in Doorn, um im dortigen Mausoleum ihres Mannes zu gedenken.

1945 wurde Saabor von der Roten Armee eingenommen. Hermine musste Schloss und Güter verlassen. Sie ging zunächst nach Roßla im Südharz, wo ihre Schwester Ida lebte. Hermine schrieb in einem Brief: „Bei dem namenlosen Elend, das über unser armes Deutschland und fast alle Menschen gekommen ist, gibt es nur ein Plus, dass der Schrecken ohne Ende, die Nazis, nicht mehr sind, aber dass wir alle das traurige Erbe antreten, durchleiden müssen, ist sehr hart.“ Die sowjetische Militäradministration nahm die Witwe Wilhelms II. gefangen und brachte sie zunächst nach Berlin und internierte sie in Frankfurt an der Oder. Hermine bekam eine Wohnung in einer Villa zugewiesen, wurde von sowjetischen Soldaten bewacht, konnte sich aber in der Stadt in Maßen bewegen. „Gegen die Unfreiheit des Hoflebens habe ich mich mit Erfolg gewehrt, jetzt in Zeiten der Republik, der Revolutionen, werde ich ausgerechnet festgehalten.“ Die Leidenszeit Hermines wurde aufgehellt durch ihren Enkel, Prinz Franz Friedrich, der ein Urenkel Wilhelms II. war. Er durfte bei ihr leben und wurde in Frankfurt getauft. Heute wohnt Prinz Franz Friedrich von Preußen in Potsdam.

Doch keine lange Lebenszeit war Hermine mehr beschieden. Am 7. August 1947 starb sie in Frankfurt an der Oder. Im Mausoleum in Doorn sollte sie an der Seite ihres Mannes die letzte Ruhe finden. Doch die komplizierte Bürokratie der Besatzungspolitik verhinderte eine Überführung der sterblichen Hülle nach Holland. So wurde die Kaiserin ohne Thron im Antikentempel im Park Sanssouci, an der Seite von Kaiserin Auguste Victoria beigesetzt. Ein Besuch am Sarg seiner Großmutter ist Franz Friedrich Prinz von Preußen nur mit Voranmeldung möglich.

Friedhild den Toom, Sven Michael Klein, „Hermine – die zweite Gemahlin von Wilhelm II.“, 12.50 Euro, erhältlich im „Internationalen Buch“, Friedrich Ebert-Straße/Ecke Brandenburger Straße.

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