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Kultur: Kammerkonzert zur Rotverschiebung

Ein Turm für Albert Einstein: Eine Ausstellung über das Sonnenobservatorium auf dem Telegrafenberg

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Ein Turm für Albert Einstein: Eine Ausstellung über das Sonnenobservatorium auf dem Telegrafenberg Von Jan Kixmüller Hat Albert Einstein der Einsteinturm eigentlich gefallen? Man weiß es nicht. Die Überlieferung behauptet, der große Physiker habe dem Architekten Erich Mendelsohn seinerzeit als Urteil „organisch“ ins Ohr geflüstert. Was immer er damit sagen wollte. Sicherlich war es ironisch gemeint, wenn es Einstein überhaupt gesagt hat. Eine Ausstellung hat sich nun dem Bauwerk auf dem Potsdamer Telegrafenberg angenommen, das alle Welt kennt, von dem aber kaum jemand weiß, wozu es eigentlich errichtet wurde. Einstein wurde schon in den 20er Jahren zum Mythos. Nachdem bei einer Sonnenfinsternis beobachtet wurde, dass sich das Licht ebenso von der Gravitation ablenken lässt, wie ein Apfel von der Schwerkraft zu Boden gezwungen wird, war ein erster Beleg für Einsteins Relativitätstheorie erbracht. Ohne dass jemand die Theorie wirklich verstand, wurde Einstein ein weltweit gefeierter Star. Als dann auf dem Potsdamer Telegrafenberg 1924 des von der Presse Einsteinturm benannte Sonnenobservatorium eröffnet wurde, stellte man in der Öffentlichkeit eine Verbindung zwischen der expressionistischen Architektur und Einsteins geheimnisvoller Theorie her. Einer Theorie, die mit der Aufhebung der Gleichzeitigkeit wie eine metaphysische Verheißung gewirkt haben mag. „Ferne Welten“ ist der Titel eines zeitgenössischen Buches des Potsdamer Populärwissenschftlers Bruno H. Bürgel. Man träumte von der Welt hinter der Welt, das Unverständnis gegenüber der Relativitätstheorie gipfelte in ihrer Msystifizierung. Kein einfacher Ausgangspunkt für eine Ausstellung, die sich vornehmlich mit dem „Einsteinturm“ benannten Sonnenobservatorium auseinander setzt. Hauptsächliches Moment der gestern im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eröffneten rund 500 Quadratmeter großen Ausstellung „Ein Turm für Einstein“ sind dann auch Randgeschichten. Die Menschen, die am Bau des Observatoriums beteiligt waren, das Image von Einstein in der Vorkriegszeit, das kulturelle, wissenschaftliche und politische Umfeld. Nur der eigentliche Kern der Sache, der Nachweis der so genannten Rotverschiebung, der mit dem Einsteinturm gelingen sollte, den muss sich der Besucher dann doch etwas mühsam erarbeiten. Zur Zeit der Eröffnung der Ausstellung fehlten sowohl der Text als auch das Multimediaterminal dazu noch. Kurz gesprochen besagt die zweite Voraussage der Allgemeinen Relativitätstheorie, dass die Uhren auf der Sonne etwas langsamer gehen als auf der Erde, weil auf der Sonnenoberfläche wesentlich stärkere Schwerkraft herrscht. Nun sind die Atome nichts anderes als winzige Uhren, die sehr schnelle Schwingungen ausführen. Diese machen sich durch Licht bemerkbar, die Schwingungszahl bestimmt die Farbe des Lichts. Wenn nun die Atome auf der Sonne tatsächlich etwas langsamer schwingen, müsste das Lichtsprektrum im Rotbereich leicht verschoben sein. Diese Rotverschiebung sollte der Einsteinturm sichtbar machen. In seinem Inneren ist er nichts anderes ist als ein großes Spiegelteleskop. In seinem Keller befindet sich das Herzstück, ein Spektrograph zur Zerlegung des Lichts. Ein großer Kristall, der das Licht auffächert und ein Gitter, das es auffängt – beides in der Ausstellung zu sehen. Wie wichtig nun Einstein der empirische Nachweis der Rotverschiebung war, die immherhin einen weiteren Beleg für die Gültigkeit seiner Theorie geliefert hätte, ist nicht ganz klar. Es gab Phasen in Einsteins Leben, in denen ihm dieser Nachweis völlig egal schien. In anderen Phasen, so in seiner Berliner Zeit, die mit dem Anbruch der NS-Zeit 1933 jäh mit Emigration endete, war ihm dieser Nachweis wohl wichtiger. Zusammen mit seinem Physikerkollegen Erwin Finlay Freundlich trieb er den Bau des Observatoriums voran. Zwar kam Einstein nie selbst zur Forschung auf den Telegrafenberg, doch an den Kuratoriumssitzungen nahm er regelmäßig teil. Schon in der Bauphase war klar geworden, dass die Rotverschiebung mit dem Einsteinturm nicht nachweisbar sein würde. Denn dazu müssten die Vorgänge auf der Sonnenoberfläche erst einmal verstanden sein. Fortan war der Turm Sonnenobservatorium, was er bis heute noch ist. Die Rotverschiebung konnte erst später mit der Radioastronomie nachgewiesen werden. Die Dokumente der Ausstellung – alles Originale – sind an den Wänden entlang geführt, kantige Glaserker mit astrophysikalischen Gerätschaften ragen in den etwas düsteren Raum. Im Mittelpunkt eine Animation des Turms, dahinter schließt ein großes Plakat mit dem eingerüsteten, baufälligen Turm aus der Nachwendezeit ab, im Obergeschoss die heutige Nutzung des Turms. Keine tagfüllende Angelegenheit die Ausstellung, umfangreicher ist da schon der sehr ergiebige Katalog (Ein Turm für Albert Einstein, 148 S., 17,80 Euro, ISBN 3-9809266-1-3). Ein wenig befremdet schließlich die Fixierung der Schau auf den Turm, wo Einstein doch so ein ergiebiges Thema ist. Aber wie sagte doch Ausstellungs-Kurator Prof. Hans Wilderotter so schön, die Potsdamer Ausstellung ist nur das Kammerkonzert, die große Sinfonie wird die umfassende Einstein-Ausstellung im Mai in Berlin sein. Die Ausstellung im Haus der Brandenburgischen Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt, hat bis 26. Juni geöffnet.

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