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Zumauern der Fenster eines Hauses in der Bernauer Straße um den 15. August 1961

© DEFA-Augenzeugen, unveröffentlichtes Drehmaterial

Kultur: Kampf der Bilder auf engstem Raum Filmmuseum zeigt teils unveröffentlichte Berichte

In nur wenigen Stunden waren alle Wohnungen geräumt. Genossen der Kampfgruppen halfen den Bewohnern, ihre Sachen zu packen und das Mobiliar an den Straßenrand zu stellen.

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In nur wenigen Stunden waren alle Wohnungen geräumt. Genossen der Kampfgruppen halfen den Bewohnern, ihre Sachen zu packen und das Mobiliar an den Straßenrand zu stellen. Bauarbeiter mauerten währenddessen die Fenster in Richtung Westen zu. Bilder aus der Bernauer Straße Berlin im August 1961, gefilmt, aber nie publiziert. Diese Repressalien passten nicht in die Propaganda vom gefeierten Mauerbau: Schließlich sah man Menschen, denen der Wohnraum genommen wurde, die nicht wussten, wo sie nun hin sollten. „Ein sehr eindringliches Sujet“, sagt Ralf Forster, der den Filmabend „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ vorbereitet hat und der am 13. August im Filmmuseum unbekanntes deutsches Filmerbe präsentiert.

Den Anfang machen um 18 Uhr aber erst einmal Kino-Wochenschauen aus Ost und West, die kurz nach dem Mauerbau auch zur Ausstrahlung kamen. Im Filmmuseum laufen sie nun 50 Jahre später in direkter Gegenüberstellung. Oft sind die gleichen Bilder zu sehen, schließlich gab es einen Austausch in beiden Richtungen. Doch die Töne, die später separat hinzugefügt wurden, könnten unterschiedlicher kaum sein. Was man auf der einen Seite bejubelte, tat man auf der anderen als Schlappe ab. Wirkungsvolle Aufnahmen wurden in den Folgejahren immer wieder aufgerufen. Zu diesen Bild-Ikonen gehörte der berühmte Sprung über eine Stacheldrahtrolle von Conrad Schumann, einem der ersten Grenzflüchtlinge.

Doch manchmal war die Propaganda wohl zu augenfällig, dass sie selbst der „Augenzeuge“ – die Wochenschau der Defa – nicht zeigte. So als Künstler zu Grenzsoldaten beordert wurden, wie Stephan Hermlin, Bruno Apitz und Bodo Uhse, um ihnen „brüderliche Kampfesgrüße“ zu übermitteln. „Man sieht die Unbeholfenheit der Künstler und dass alles nur inszeniert war“, so der Filmwissenschaftler. Auch Bilder von einer Begegnung zwischen Pionieren und Panzersoldaten seien relativ selten verwendet worden: „Ganz schlimme Aufnahmen, die unsichere Kinder zeigen, die man den Soldaten auf den Panzern förmlich in den Arm legte“, sagt Forster, der am Samstag eine Einführung in den Filmabend gibt.

Die ersten Live-Bilder vom Mauerbau lieferte der SFB. Material, das am 13. August ab 9 Uhr gedreht, sofort chemisch entwickelt wurde und um 13. 10 Uhr auf Sendung ging. Im Osten wartete man indes mit Talkrunden auf. „Es wurde vermieden, viele Bilder vom Mauerbau zu zeigen. Stattdessen gab es Rechtfertigungen vom ausgehöhlten Osten. Relativ unspannend“, sagt Ralf Forster. Oft vermasselten sich Ost und West gegenseitig die „Show“. So wurde ein Beitrag des SFB über den Adenauer-Besuch an der Grenze nur stumm gezeigt, weil man sonst die Ostpropaganda-Beschallung gehört hätte. Als Ulbricht zu Besuch kam, versuchte der Westen die versammelte Menge im Osten zu vereinnahmen. „Ost und West störten sich gegenseitig mit ihren Propagandawagen. Auf engstem Raum wurde um die Propagandahoheit gekämpft.“ Heidi Jäger

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