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Von Klaus Büstrin: Kempff als Komponist

In der Kutschstall-Ausstellung über den Pianisten stehen am Wochenende eigene Werke im Mittelpunkt

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Wilhelm Kempff war vor allem Pianist, einer der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts. Doch er komponierte immer wieder gern. Auch sein großer Zeitgenosse, der Dirigent Wilhelm Furtwängler, meldete sich des öfteren als Komponist zu Wort. Als solcher wollte er in der musikalischen Welt mehr gelten, als man ihn hierbei würdigte. Wie bei ihm werden Wilhelm Kempffs Werke selten zur Aufführung gebracht. Als weltweit geachteter Pianist stand er eher im Zentrum der Aufmerksamkeit der Konzertveranstalter und Musikliebhaber. Und doch ließ sich Kempff nie entmutigen, selbst zu schreiben.

Am kommenden Wochenende kann man innerhalb der Ausstellung „Ich bin kein Romantiker – der Pianist Wilhelm Kempff 1895-1991“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) zwei Konzerten beiwohnen, in denen Werke des Komponisten Kempff erklingen. Seine Meisterschülerin, die türkische Pianistin Idil Biret, wird am Samstag neben Klavier-Kompositionen von Franz Liszt Werke von Wilhelm Kempff auf dem Steinway-Flügel spielen. Darunter auch Bearbeitungen von Chorälen und der Sinfonia aus der Kantate Nr. 29 von Johann Sebastian Bach. Kempff sagte über die Pianistin, die bereits 1991 im Todesjahr ihres Lehrers im Schlosstheater im Neuen Palais musizierte: „Meine geniale, meine liebste Schülerin ist Idil Biret. Diese großartige Pianistin gehört in die Klasse der auserwählten Musiker unserer Zeit“. Und der Musikwissenschaftler Karl Schumann schrieb über die Musikerin, dass der Klavieranschlag Idil Birets ihn an Alfred Cortot und Wilhelm Kempff erinnere. „Sie ist eine klassisch romantische Virtuosin, die den Einbruch des Computers in das Klavierspiel nicht mitmacht.“

Wird der Klavierabend am Samstag vom Förderverein zur Pflege der Kammermusik in Potsdam in Zusammenarbeit mit dem HBPG veranstaltet, so ist die Kammerakademie Potsdam beim Konzert am darauf folgenden Sonntag inhaltlich für das Konzert verantwortlich. An diesem Nachmittag werden ausschließlich Kompositionen von Wilhelm Kempff zur Aufführung kommen. Der in aller Welt gefeierte Wiener Bariton Wolfgang Holzmair hat Lieder nach Gedichten von Johann Wolfgang Goethe, Conrad Ferdinand Meyer und Michelangelo für das Konzert ausgewählt. Begleitet wird er von dem Pianisten Russel Ryan, der auch einige Klaviersoli zum Besten geben wird. Mitglieder der Kammerakademie musizieren das der Königin Viktoria von Schweden gewidmete Quartett G-Dur op. 15 für Klavier, Flöte, Violine und Violoncello. Eine Einführung zu den Kompositionen gibt Kurator Werner Grünzweig von der Akademie der Künste Berlin, die für die Ausstellung im Kutschstall die Regie hatte.

Das Ringen um eine eigene musikalische Sprache hat Wilhelm Kempff Zeit seines Lebens beschäftigt. Schon als Kind versuchte er sich am Komponieren, im Alter von sechseinhalb Jahren. Der Vater Wilhelm Kempff sen., Kantor an der Nikolaikirche und Musiklehrer an der Charlottenschule, notierte das Gespielte seines Sohnes in das „Rote Buch“.

In dem ersten eigenen Klavierkonzert als Elfjähriger am 19. Oktober 1907 im Palast Barberini spielte er unter anderen seine Fantasie über das Auto Ihrer Königlichen Hoheit des Prinzen Eitel Friedrich. Das Automobil der Hoheit interessierte den Jungen, denn schließlich gehörte es damals noch zu den viel bestaunten Raritäten in der Residenzstadt Potsdam. In dem Konzert gab es auch den Programmpunkt „Freies Improvisieren über gegebene Themen“. Der Kantor der Friedenskirche und Musikkritiker Martin Gebhardt stellte den Jungen auf die Probe. Wilhelm bat: „Bitte kein Kinderlied, sondern ein schweres Thema.“ Der Kantor spielte ein As-Dur-Thema vor, das der Elfjährige anstandslos nachspielte. „Nach einer würdigen Einleitung begann er in einem übermütigen Scherzo ein wahres Katze- und Mausspiel, das Thema in atemloser Hatz durch alle Tonarten jagend ... bis er es seinen gebannten Zuhörern in umgekehrter Fassung als strenge Fuge präsentierte“, schreibt Wilhelm Kempff in seinem Erinnerungsbuch „Unter dem Zimbelstern“.

Der vielbeschäftigte Pianist nahm sich immer wieder Zeit zum Komponieren. Natürlich gehört Klaviermusik zu seinem großen Oeuvre, aber auch Lieder, Kammer- und Orchestermusik sowie Bühnenwerke. Im Jahre 1928 entstand die Oper über den musizierenden König Friedrich den Großen „Die Flöte von Sanssouci“ – eine Hommage an Potsdam. Das Werk harrt bisher aber noch seiner Uraufführung. Lediglich die Ouvertüre wurde im November 1929 in einem Sinfoniekonzert des Theaterorchesters Stuttgart unter der Leitung des Komponisten zu Gehör gebracht.

Wilhelm Kempff beherrschte das Handwerk des Komponierens durchaus. Die Aufführungen seiner Werke fanden in der Öffentlichkeit und auch bei der Kritik jedoch geteilte Resonanz. Kompositorisch neue Wege beschritt er nicht. In seinen Liedern ist beispielsweise das Vorbild des Romantikers Hugo Wolf unüberhörbar, allenfalls angereichert und erweitert mit manch neuen harmonischen Wendungen und Ausdruckswerten. Ein Romantiker.

Konzerte im Haus der Brandenburgischen-Preußischen Geschichte am 10. Januar, 19 Uhr: Klavierabend Idil Biret; am 11. Januar, 16 Uhr: Kammerkonzert mit Wolfgang Holzmair, Bariton, Russel Ryan, Klavier, und Mitgliedern der Kammerakademie Potsdam. Die Kempff-Ausstellung ist bis zum 1. Februar geöffnet.

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