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Kultur: Kleines Schwarzes
Potsdams Metal-Rocker Subway to Sally sind mit neuem Album in den Charts unterwegs
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Eine „Zangengeburt“ nennt Michael „Bodenski“ Boden das neue Album der dienstältesten Mittelalter-Metal-Rocker. Die Zeit im Studio war „kein Ferienlager, sondern Kasernierung“, sagt der Gitarrist und Sänger über den kreativen Entstehungsprozess von „Schwarz in Schwarz“. Die harte Arbeit hat sich gelohnt: Das kleine Schwarze von Subway to Sally ist vor gut einem Monat auf Platz vier in die deutschen Charts eingestiegen, gleich nach Rosenstolz, Udo Lindenberg und Pink Floyd. Mit der neuen Scheibe geht es demnächst auf Tour, die Fans warten schon. Im Westen, zum Beispiel im Ruhrpott, manchmal mehr als auf heimischem Terrain. „Berlin ist eine Partystadt, da tut man sich schwer mit Pathos“, fasst Bodenski zusammen. Dennoch füllen sie auch hier Säle, zum Jahreswechsel dürfen die Fans der schwarzen Szene sich über ein Konzert in der Potsdamer Metropolishalle freuen. Die „Eisheiligen Nächte“ haben hier schon Tradition. Wer nicht so lange warten will, kann sich bis dahin mit diesem elften Studioalbum der Potsdamer Band trösten. Zu empfehlen ist diese Investition ohnehin und unbedingt.
Dieselbe Band und doch wieder anders – wer mehr als drei Mal reingehört hat, wird feststellen: Da ist viel Schönes dabei! Und weil immer noch gilt, was Frank Schöbel einst gesungen hat: „Die Fans sind eine Macht, wer keine hat – Gut Nacht!“, geht es quasi mit einer Ode an das Publikum los. „Das Schwarze Meer“, von dem die Platte auch ihren Titel hat, meint den Anblick der dunklen Zuschauermenge, den die Musiker von der Bühne hinunter in den Saal haben. „Schwarz in schwarz / zieht es mich weiter. Ich sehne mich so sehr / nach dem schwarzen Meer!“ Und damit kein Zweifel an der Vitalität bleibt, knallt es von der ersten Sekunde richtig rein: fettes Gitarrengeschrubbe, Schlagzeug, und nach ein paar Takten legt sich Frau Schmitts Geige schwer drüber; es lohnt sich, gerade zum Anfang die Anlage gut aufzudrehen und mal ausnahmsweise die Nachbarn außen vor zu lassen. Es rockt gewaltig. Aber keine Angst, STS bleiben ihrem Metier treu, schon Nummer zwei beginnt mit blasphemischem Glöckengeläut, Endzeitstimmung, einstürzende Himmel ohne rettende Gottheiten, wie sie der gemeine Gothic-Anhänger eben braucht. Und schließt mit dem letzten Titel „MMXII“ eine inhaltliche Klammer: „Es ist soweit, schon bald. Macht euch bereit!“ Grusel. Damit wäre dem Anspruch an Weltuntergangsszenarien allerdings genüge getan, weder Satan noch Jungfrauen auf diesem Album. Die Zeiten, als es um Hofnarren und Hexen ging, scheinen vorbei, seit 9/11 die Welt und auch Subway to Sally erschütterten.
„Seitdem sind unsere Texte schon etwas ernster“, sagt Michael Boden. „Und schließlich werden wir auch älter.“ So lohnt sich das Zuhören bei diesem Album besonders, die Texte, meist aus der Feder des Rockpoeten Bodenski, oft auch Gemeinschaftswerk mit Frontmann Eric Fish und Drummer Simon Michael Schmitt, sind sehr persönlich. Der Tod einer Freundin wird beweint, wütende, hilflose Anklage, bis mehrstimmiger Gesang der Trauer Platz einräumt. Klar können sie auch zart, das weiß man, mit so unsagbar emphatischen doch nachdrücklichen Melodiebögen, die sich steigern und schieben, bis es weh tut. Flöten, Laute, Leier und das ganze museale Instrumentarium, zweifellos auch schön fürs Auge, steht nicht umsonst auf der Bühne. Auch die fette Rahmentrommel setzt Akzente, die einfach dazu gehören. Aber nie vergessen sie den Metal-Rock, Akustik-Gitarren und saubere Chöre werden schonungslos von E-Gitarren-Riffs und dem Schlagzeug angetrieben. Diese Symbiose von alt und neu, von Folk und Gitarrenrock, mit der sie seit fast 20 Jahren in der Szene ordentlich mitmischen, wenn nicht sogar Ton angebend geworden sind, funktioniert besonders gut in dem vielleicht bedrückendsten Titel. Was vor 26 Jahren Falcos „Jeanny“ auf den Index verbannte, ist mittlerweile Kinderzimmertauglich. Und geht gewaltig unter die Haut: Der Song über sexuellen Missbrauch ist ein brillantes Psychogram, noch dazu in einer so poetischen doch punktgenauen Sprache, die einfach verblüfft. Angst macht. Dass sie dennoch nicht den Nerv der einschlägigen Radiosender treffen oder wenigstens von denen mit einer gewissen Rock-Affinität, wie Boden es ausdrückt, gespielt werden, daran haben sie sich gewöhnt.
„Gitarrenlastige Musik mit solchen dunklen Texten will keiner mehr“, beschreibt er die „traurige Wahrheit“. Aber Radio-kompatibel zu produzieren käme nie in Frage. „Kult hat was mit Authentizität zu tun“, wissen sie, und das sind sie sich und den Fans schuldig. Mal aussteigen aus dem Alltag und den Fetisch ausleben, wie Bodenski „das ganze schwarze Ding“ nennt, das ist dem Publikum der wohl erfolgreichsten Band aus Potsdam ein innerstes Bedürfnis. Auch wenn die Musiker selbst nach getaner Arbeit die schwarzen Klamotten mal gern an den Nagel hängen. Nun gibt es ja die Platte. „Schwarz in Schwarz“. Unmissverständlich so wie immer und doch anders.
„Schwarz in Schwarz“ ist bei Universal erschienen
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