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Kultur: Klio im Friedenssaal
Skulptur der antike Muse von Christian Ludwig Tieck wieder aufgestellt
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Der feine Pinsel entfernt den letzten Depotstaub. Kathrin Lange, die Fachbereichsleiterin der Skulpturenrestaurierung der Schlösserstiftung, und ihre Mitarbeiter haben Klio in den Friedenssaal transportiert. Mit ein paar professionellen Handgriffen wird sie sanft auf einem bereit stehenden Sockel postiert. So hat die Skulptur der antiken Muse der Geschichtsschreibung und epischen Poesie wieder einen Platz auf jenem Terrain gefunden, für das sie einst entstanden ist.
Der Friedenssaal ist jedoch nicht ihr ursprünglicher Standort, sondern die daneben stehende Villa Tieck, in der sich die Kindertagesstätte der Friedenskirchengemeinde befindet. Klio schmückte bis 1985 deren Schaufassade zur Straße. Dann musste sie wegen Absturzgefahr entfernt werden. Die blattverkupferte Figur aus Zinkguss kam ins Depot der Schlösserstiftung und wurde in den 90er Jahren restauriert. Die Friedenskirchengemeinde und die Stiftung waren sich einig, dass der wertvollen Originalfigur des Bildhauers Friedrich Tieck kein Platz an der Villa mehr eingeräumt werden könne. Dort ist sie ständig den Unbilden des Wetters ausgesetzt, Zink und Kupfer korrodieren. So steht sie nun im Inneren des sanierten und renovierten Friedenssaals: eine rund 90 Zentimeter große nachdenklich anmutige Frauengestalt in antiker Gewandung auf einem Baumhocker sitzend, den Griffel in der rechten Hand und in der anderen ein Buch, ihr Kopf von einem Lorbeerkranz gekrönt.
Wird sich die Muse in dem von christlichem Geist geprägten Raum wohlfühlen? Für Friedrich Wilhelm IV., dessen tiefe Religiosität Bände spricht, war die Antike immer ein Quell der Schönheit, aber auch der Meditation. In ihren berühmten Stätten wie Pompeji und Herkulanum fand er die wunderbare Harmonie der Künste. Sie überwältigte ihn, wie man seinen Reiseberichten entnehmen kann. Die Wiedererstehung des Kunstgeistes fand der König in der Renaissance. In ihr verband sich das Christentum mit der alten Schönheit. Besonders Raffaels „Die Schule von Athen“ hat ihn begeistert. Die griechischen Philosophen und die Evangelisten finden in dem Gemälde eine gemeinsame Sprache.
Die in den vergangenen Jahren aufwändig restaurierte Villa muss auf die Klio nicht verzichten. Die Friedenskirchengemeinde bestellte bei der Bildgießerei Seiler in Schöneiche eine Bronzekopie. Ab Mai kann man sie im Zentrum ihrer Straßenfront sehen. Dann wird das Areal am Eingang des Parkes Sanssouci mit der Villa Tieck und dem Friedenssaal vollständig sein.
Saskia Hüneke, die Kustodin der Skulpturensammlung der Schlösserstiftung, ist hoch erfreut, dass die Klio nun wieder öffentlich zu sehen ist. „Die Figur, die von Christian Ludwig Tieck 1847 modelliert wurde, ist von hoher künstlerischer Qualität“, sagte Saskia Hüneke gegenüber den PNN. „Der vor allem in Berlin wirkende Bildhauer hatte sich besonders mit seiner Porträtkunst einen Namen gemacht.“ Die Klio im Friedenssaal sei auch deswegen so bemerkenswert, weil im Potsdamer Raum nur noch zwei weitere Plastiken von Tieck zu finden sind, die Büste der Kronprinzessin Elisabeth am Schloss Charlottenhof sowie ein Schinkel-Kopf, der aber zur Zeit im Depot stehe, so die Kustodin.
Christian Ludwig Tieck war der Bruder des Dichters und Regisseurs Ludwig Tieck, der auf Einladung Friedrich Wilhelms IV. in der Belle Etage des Wittmeyerschen Hauses in den Sommermonaten mehrere Jahre residierte. Er wollte so nah wie möglich an seiner Arbeitsstätte, dem Schlosstheater des Neuen Palais, wohnen. Dort brachte er unter seiner Regie „Antigone“ von Sophokles sowie „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare auf die Bühne. Erste Pläne für die Umgestaltung des Gebäudes stammten von Ludwig Persius. Das Wittmeyersche Haus hat später aber mehrere Namen erhalten: Elisabeth- und Friedenshaus sowie Villa Tieck. Klaus Büstrin
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